Erfolgsgeheimnis Solidarität

Weil Unterbesetzung, wie uns wiederholt berichtet wurde, auch auf vielen Stationen in Luxemburgs Spitälern grassiert, sollten sich gestreßte Pflegekräfte und deren gewerkschaftliche Vertreter einen zwar vergleichsweise kleinen, aber dennoch vollumfänglich erfolgreichen Arbeitskampf näher anschauen, der jüngst am Universitätsklinikum des Saarlandes in Homburg von ihren Kolleginnen und Kollegen der onkologischen Station und der Gewerkschaft Ver.di geführt wurde.

Wie Michael Quetting, der bei Ver.di zuständige Gewerkschaftssekretär, mitgeteilt hat, waren für die Krebsstation des Uniklinikums bislang 18,5 Vollstellen eingeplant.

Zu wenig, um eine gute Versorgung und Betreuung der in der Regel deutlich über 30 Patienten sicherzustellen. Laut Quetting kam es sogar vor, daß Krebspatienten auf dem Flur liegen mußten. Für die Pflegekräfte bedeutete diese hohe Auslastung vor allem Streß. Regelmäßig mußten Pflegerinnen und Pfleger, die eigentlich frei hatten, kurzfristig Dienste antreten, um ausgefallene Kolleginnen oder Kollegen zu ersetzen.

So ging das jahrelang, bis ausgerechnet die Klinikleitung den Anstoß dazu gab, etwas gegen die für die Patienten wie für die sie Pflegenden immer unerträglicher werdende Situation zu unternehmen. Als sich die Pflegekräfte der Homburger Krebsstation während der Tarifrunde der deutschen Bundesländer im Frühjahr 2017 an einem Streik beteiligten wollten, bestand die Direktion auf einer Mindestbesetzung von mindestens fünf Pflegekräften in der Frühschicht, vier in der Spätschicht und zwei in der Nachtschicht. Um diese Vorgaben erfüllen zu können, mußte Ver.di Gewerkschaftsaktivisten, die streiken wollten, wieder auf die Station schicken. Doch als der Arbeitskampf vorbei war, wurden die von der Klinikleitung selbst geforderten Vorgaben wieder unterlaufen.

Doch nun ermittelten die Pflegerinnen und Pfleger selbst, daß wenigstens 23 Vollzeitkräfte nötig sind, um eine Mindestbesetzung ihrer Station zuverlässig gewährleisten zu können. Um also Neueinstellungen durchzusetzen, stellten sie der Klinikleitung ein Ultimatum: ab dem heutigen 1. Februar wollten sie nur noch »Dienst nach Vorschrift« machen, was konkret bedeutet hätte, daß sie nicht mehr aus der Freizeit für ausgefallene Kollegen eingesprungen wären, sie sich fortan geweigert hätten, ärztliche Aufgaben zu übernehmen, und daß sie nur noch auf schriftliche Anordnung hin gearbeitet hätten.

Parallel dazu wurde bereits im Dezember ein Infostand organisiert, um auf die Arbeitsbedingungen auf der onkologischen Station aufmerksam zu machen.

Weiterer Druck wäre am vergangenen Wochenende mit einer 24-stündigen Mahnwache aufgebaut worden. Doch die Klinikleitung kam den Kampfentschlossenen zuvor: Die Direktion sagte ihnen zu, künftig für eine Besetzung mit 21 examinierten Pflegevollkräften plus drei medizinischen Fachangestellten zu sorgen.

Und so konnten die Protestierenden Mitte Januar bekanntgeben: »Ultimatum erfolgreich beendet. Mahnwache wird abgesagt.« Man werde die Umsetzung der Einigung aber genau überprüfen, kündigte der Gewerkschaftssekretär an. Und Michael Quetting, der mit der Drohung, normal zu arbeiten schon acht Mal Neueinstellungen durchsetzen konnte, sagt auch, weshalb solche Proteste schon acht Mal Erfolg hatten:

Entscheidend sei, daß der Zusammenhalt im Team groß sei und man sich aufeinander verlassen könne. Vor Beginn des Protests hätten 90 Prozent der Station zugesagt, am Ultimatum teilzunehmen. Nur auf einer solchen Grundlage könne ein Erfolg erzielt werden, betont Quetting. Gleichzeit lernten die Schaffenden, solidarisch für ihre Interessen einzustehen. Diese Erfahrung wiederum sei auch für weitergehende Gewerkschaftsmaßnahmen wie Streiks nötig.

Oliver Wagner

 

Aus: Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek