Klimarettung Teil der Systemfrage

Im Jahr 2019 wurden, Klimakrise hin oder her, mehr SUV und andere große Spritschlucker neu zugelassen, als zuvor. Was auf den ersten Blick unverständlich klingen mag, sendet doch ein deutliches Signal in Richtung Klimapolitik und das panische Herumdoktern der politisch Verantwortlichen an einem »Green New Deal«. Es zeigt ganz unverhohlen, daß CO2-Steuern im Prinzip die großen Geldbörsen gar nicht jucken, sondern ausschließlich die breite Masse von solchen Maßnahmen betroffen ist. Jene Menschen also, die oftmals ohnehin keinen finanziellen Spielraum haben, um klimafreundlicher zu agieren.

Am Mittwochmittag war die kanadische Autorin und Journalistin Naomi Klein zu Gast im Mittagsmagazin des deutschen ZDF. Kapitalismus- und Globalisierungskritik trifft auf CDU-Fernsehen. Sie erklärte der etwas verdutzten Moderatorin, warum der Einzelne durch privaten Verzicht überhaupt keinen Einfluß auf das Klima habe, und daß der Ball bei der Politik liege, einen sozial gerechten »Green New Deal« zu schaffen. Doch die Menschen hätten wenig Vertrauen, daß dies funktioniere, was sich in Wahlsiegen von Personen und Klimakrisen-Leugnern wie Trump oder Bolsonaro äußere. In der Vergangenheit sei, so wörtlich, »der Kapitalismus unfähig gewesen, seine Krisen zu lösen« und deshalb sei die Frage eines »Green New Deal« auch mit der Systemfrage verknüpft.

Diesen, für einen Auftritt im konservativen Fernsehen recht mutigen Aussagen steht ein politischer Aktionismus gegenüber, wie etwa der neuen EU-Kommission. Ursula von der Leyen verglich ihren eigenen neuen grünen Deal, der aufgrund des Namens nicht mit dem fortschrittlichen Ansinnen von Frau Klein unter demselben Titel zu verwechseln ein sollte, gar als größtes Ereignis für die Menschheit seit der ersten Mondlandung. Wir alle wissen, daß die Mondlandung außer Prestige für die Akteure so ziemlich überhaupt nichts brachte. Das Leyensche Ziel der Klimaneutralität wird mit Einschnitten für die Massen gepflastert sein, welche die Wohlhabenden und transnationalen Konzerne höchstens peripher tangieren dürften.

Auch in Luxemburg wurde auf dem grünen Teil der Regierungsbank fleißig an einem Klimapaket geschraubt, welches eine ähnliche Schieflage aufweist. Hier wurde in der Hauptsache wenig phantasiereich die finanzielle CO2-Stellschraube ausgewählt. Eine Maßnahme, die zwar durch Kompensationen für Geringverdiener abgefedert werden könnte, jedoch zunächst einmal alle gleich straft für ein Versäumnis, welches sich allein die Politik hinter die Ohren zu schreiben hat, denn bereits vor 30 Jahren wurde gewarnt, daß das Klima sich verändert und daß eine neue Politik nötig sei. Obendrein dürften solche »Strafen« die Wohlhabenden auch hier wenig jucken.

Und daß in der Zwischenzeit nichts geschehen ist, sprach ja bereits die eingangs zitierte Naomi Klein an. Nötig ist eine sozial verträgliche neue Klimapolitik, die nicht wieder die Reichen und Konzerne aus der Pflicht entläßt, während die berufstätigen Massen weiter ausgequetscht werden. So wird kein Verständnis für neue Umweltmaßnahmen erzeugt.
Eine schwierige Aufgabe ist es in der Tat, eine Gesellschaft in Schieflage in noch unruhigere Gewässer zu manövrieren. Hoffen wir, daß es keinen Schiffbruch gibt.

Christoph Kühnemund

Quelle:

Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek