Trump gibt China Schuld an Virus

Merkwürdig : Während die Influenzapandemie, die zwischen 1918 und 1920 mindestens 25 Millionen, neueren Schätzungen zufolge 50 Millionen Todesopfer forderte, »Spanische Grippe« genannt wird, versuchen USA-Präsident Trump und seine Administration vehement, für die vom Coronavirus verursachte Pandemie die Bezeichnung »chinese virus« , also »chinesisches Virus« , durchzusetzen.

Die Pandemie vor 100 Jahren verdankt ihren Namen jedoch einzig der Tatsache, daß Spanien im Ersten Weltkrieg als neutrales Land eine weniger restriktive Zensur hatte, weswegen dort anders als in anderen betroffenen Ländern Berichte über das gewaltige Ausmaß der Pandemie nicht unterdrückt wurden und die ersten Nachrichten über die Seuche folglich aus Spanien kamen.

Mittlerweile gilt jedoch der US-Amerikaner Albert Gitchell, der am 4. März 1918 auf der im Nordosten des USA-Bundesstaates Kansas gelegenen Militärbasis Fort Riley erkrankte, als »Patient Null« . Drei Wochen später waren in dem Ausbildungslager der US Army, in dem sich damals durchschnittlich 56.000 Rekruten befanden, 1.100 Schwerkranke und 38 Todesfälle zu beklagen. Erst als die Soldaten in den Krieg geschickt wurden, grassierte die Influenza einen Monat später auch in Europa : Für Anfang April 1918 sind Erkrankungen aus der französischen Hafenstadt Brest belegt.

Folgt man Trumps »Logik« , müßte man statt von der »Spanischen« besser von der »Amerikanischen« oder genauer von der »US-amerikanischen Grippe« sprechen.
Als der USA-Präsident am 8. März den Presseraum des Weißen Hauses betrat, begrüßte er die Medien mit den Worten : »Danke, daß Sie alle hier sind. Und wir machen weiter in unserem unbändigen Versuch, das China-Virus zu besiegen.« Auf dem Manuskript, das er zugesteckt bekam, hatte Trump das Wort »corona« eigenhändig durchgestrichen und mit »chinese« ersetzt.

Sogar die übliche gemeinsame Erklärung nach der vierstündigen Videokonferenz der Außenminister der sieben größten kapitalistischen Staaten ( »G7« ) zur weltweiten Coronakrise fiel gestern nachmittag dem Beharren des State Department auf die Bezeichnung »chinesisches Virus« oder zumindest »Wuhan-Virus« zum Opfer.

Denn auch USA-Außenminister Pompeo vertritt konsequent die Linie seines Präsidenten, nach der »die Chinesen« Schuld an der Coronakrise sind und »die Europäer« dazu beigetragen haben, daß das Virus in die USA gelangte. Gegenmaßnahmen wie das Einreiseverbot für EU-Bürger verkündete Trump über Nacht und ohne die EU vorab zu informieren. Nur Britannien nahm er zunächst von den Einreiseverboten aus, um sich dann später zu korrigieren.

Nun ist der Frust in Berlin und Paris groß. Wie es gestern in Agenturmeldungen hieß, werfen sie den USA vor, sich endgültig von einer »partnerschaftlichen Zusammenarbeit« zu verabschieden. Trumps Kampf gegen den Multilateralismus mache selbst vor der G7 nicht halt. Offenbar besteht zwischen jenen Staaten, die sich gemeinhin als der »Westen« verstehen, ein tiefgreifender Dissens.

Übrigens : Der Reichtum der Familie Trump geht nicht unwesentlich darauf zurück, daß sein in der deutschen Pfalz geborener und mit 16 Jahren in die USA ausgewanderter Großvater Frederick Trump, der im Mai 1918 in New York City der Influenza zum Opfer fiel, eine Lebensversicherung abgeschlossen hatte.

Oliver Wagner

Quelle:

Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek