Organisation in Zeiten der Krise

Der monatliche Beitrag für die Mitgliedschaft in einer Gewerkschaft beläuft sich hierzulande auf etwa 20 Euro. Nicht viel mehr also, als eine Pizza und ein Bier kosten. Am Kostenfaktor kann es also kaum liegen, wenn immer weniger Menschen sich organisieren wollen und bei Problemen im Betrieb anscheinend lieber das Kaninchen als die Schlange sein wollen.

Das Verständnis, daß all die erreichten sozialen Errungenschaften und Verbesserungen in den Betrieben von den Generationen vor uns teils hart erkämpft werden mußten und keine Selbstverständlichkeit oder gar patronale Gutherzigkeit darstellen, geht leider immer mehr verloren. Das liegt vor allem an der gezielten Entpolitisierung und Sozialpartnerschaft der vergangenen Jahrzehnte. Was erstere anrichten kann, zeigen in Coronazeiten beispielsweise die Massenaufmärsche sogenannter »Querdenker«, die sich vor den Karren der Faschisten spannen lassen, während wichtige sachliche Kritik an Maßnahmen von Staat und Wirtschaft auch in Zeiten der Krise kaum hörbar ist.

Die Tradition, betriebliche Mitbestimmung, Arbeitszeitverkürzung und andere Forderungen mit Druck als Masse von der Straße her durchzusetzen, ist in den Köpfen nicht mehr präsent. Die Gewerkschaft und die sie in den Betrieben vertretenden Betriebsräte stehen dort oftmals auf verlorenem Posten, weil viele Arbeitskollegen eine Gewerkschaft nicht mehr als Organisation der gemeinsamen Stärke durch Beteiligung, sondern als Dienstleister verstehen, die sich in ihrem Interesse mit dem Boß herumschlägt, ohne daß sie selbst Farbe bekennen müssen.

Dabei wäre es gerade jetzt, wo auch unter dem Vorwand der Corona-Krise viele der angesprochenen Errungenschaften scheibchenweise zurückgenommen werden sollen oder Beschäftigte, wie bei LuxGuard oder der Imprimerie Saint-Paul, immer öfter nur noch das sind, was im neoliberalen Wirtschaftsjargon »Humanressourcen« genannt wird, so wichtig, die Gewerkschaften in ihrer Position zu stärken.

Gewerkschaftlich organisierte Beschäftigte, Schüler, Studenten und Rentner sind deutlich schwerer zu spalten. Gerade in der aktuellen Situation ist so eine Geschlossenheit sehr wichtig, um deutlich zu machen, daß ein sozialer Roll-Back und die Kosten der Krise nicht so einfach unter fadenscheinigen Argumenten auf die Lohnabhängigen abgewälzt werden können. Wenn alle Beschäftigten aus privatem und öffentlichem Sektor ihren Widerstand gebündelt und organisiert auf die Straße bringen und Geschlossenheit in ihren Forderungen beweisen würden, dann wäre es ungleich schwerer, dies zu ignorieren.

Natürlich ist die Lage in Luxemburg dabei vergleichsweise kompliziert: Viele Grenzgänger interessieren sich nicht für das, was hierzulande politisch passiert, und auch Sprachbarrieren verhindern vielfach eine bessere Solidarisierung.

Diese Probleme gilt es nun dringend zu überwinden, denn die Kosten der Pandemie werden, auch wenn ein Impfstoff gefunden sein wird und vordergründig Normalität zurückkehrt, einen immensen Druck auf die Gesellschaft ausüben. Schon vor Corona war der Kampf für soziale Gerechtigkeit und eine bessere Verteilung des geschaffenen Wohlstands ein steinhartes Brot.

Darum ist Organisation so wichtig, und der finanzielle Beitrag sollte keine Hürde sein, wenn es darum geht, etwas zu bewegen. Die sozialen Errungenschaften früherer Generationen dürfen den Herrschenden nicht auf dem Silbertablett präsentiert werden, im Gegenteil gilt es, gerade in diesen Zeiten gesellschaftliche Verbesserungen durchzusetzen.

Christoph Kühnemund

Quelle:

Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek