AAA, Staatsschuld und Staatsvermögen

ZLV Zeitung vum Letzeburger Vollek
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Das »Triple A« gilt in der Luxemburger Politik als heilige Kuh, die organisch verbunden ist mit einer Staatsschuld, die unter gar keinen Umständen über 30 Prozent des Bruttolinlandprodukts (BIP) wachsen darf. Der Salariatskammer ist das sauer aufgestoßen, weshalb sie sich bemüht hat, dies zu dekonstruieren.

Wie aus der nebenstehenden Tabelle zu erkennen ist, ist Luxemburg das einzige der sieben Länder Europas mit einer AAA-Notierung, dessen Staatsschuld 2021 unter 30 Prozent lag. Die BRD lag noch knapp unter 70 Prozent und wird diese Grenze 2022 reißen. Trotz einer Staatsschuld von unter 20 Prozent brachte es Estland dennoch nur auf eine AA-Notierung. Die Staatsschuld ist folglich nicht der alles entscheidende Faktor.

Die Salariatskammer hat herausgefunden, daß bei der Rating-Agentur Fitch der Anteil in den Notierungs-Kriterien für die Staatsschuld nur bei 8,3 Prozent liegt. Es ist anzunehmen, daß das bei den anderen Agenturen nicht viel anders ist. Gewußt ist weiter, daß bei Fitch 53,2 Prozent der Bewertung von der Struktur einer Wirtschaft abhängt, wozu politische und wirtschaftliche Stabilität gehört. Das sollten alle jene bedenken, die immer wieder mal beim Index herumfummeln möchten.

Das Beispiel Großbritannien zeigt, wie rasch ein Land herabgestuft wird, wenn es politisch instabil wird, wie das der Fall wurde mit der Ankündigung, die Steuerlast für Betriebe und Höchsteinkommensbezieher stark zu verringern. S&P brauchte weniger als eine Woche nach Vorstellung des entsprechenden Budgetentwurfs, um das Land herabzustufen, womit die Wichtigkeit des Faktors Stabilität belegt war.

Darüber hinaus berücksichtigen die Agenturen nicht nur die Höhe der Staatsschuld, denn sie schauen sich auch an, wie hoch das Staatsvermögen ist. Ohne ein AAA-Rating dafür erhalten zu haben ist Finnland das Land, wo das Vermögen des Staates um 62 Prozent des BIP über der Staatsschuld liegt. Luxemburg lag im zweiten Trimester 2022 beim Staatsvermögen um 47 Prozent des BIP über seiner Staatsschuld, eine Gegenüberstellung, auf die stets vergessen wird, wohl da sie sich absolut nicht für Panikmache eignet.

Das Vermögen setzt sich zusammen aus den Beteiligungen an den internationalen Finanzinstitutionen (7,2 Prozent des BIP gegenüber 6,1 Prozent des BIP an Zahlungsverpflichtungen ihnen gegenüber), der Wert der »établissements publics« von 3,5 Prozent des BIP, den Beteiligungen an Privatgesellschaften in Höhe von 1,4 Prozent des BIP und des Kompensationsfonds, der 36,1 Prozent des BIP ausmacht. In der Rechnung nicht berücksichtigt sind Gebäude und Infrastrukturen, aber das sehen sonderbarerweise die Notierungs-Agenturen nicht als Vermögen an.

Im Durchschnitt liegen die Länder der Euro-Zone mit der Staatsschuld um 61 Prozent des BIP überm Staatsvermögen. Nur bei Estland, den skandinavischen Staaten und Luxemburg ist es umgekehrt, wobei neben Luxemburg sehr wohl Schweden, Dänemark und Norwegen eine AAA-Note erhielten, nicht aber Finnland und Estland.

Obendrein verweist die Salariatskammer darauf, daß die Notierung offensichtlich nicht das einzige Kriterium dafür ist, welch ein Zinssatz ein Staat bei der Ausgabe von Staatsschuldscheinen kriegt. Belegt wird das mit dem Beispiel Frankreich, das keine höheren Zinsen zahlen mußte, als es die AAA-Notierung verlor. Das liegt daran, so die Salariatskammer, daß die Investoren, die Staatsanleihen kaufen, beim Staat genügend Kenntnis über seine wirtschaftliche und finanzielle Lage haben, um nicht auf die Information von Notierungs-Agenturen angewiesen zu sein. Die seien bei Staaten, die wesentlich transparenter sind als Betriebe, zumeist keine Zusatzinformation.

Generell wird auf das Problem verwiesen, daß die drei großen Agenturen allesamt aus den USA stammen und daher Länder, die wirtschaftlich spiegelbildlich strukturiert sind wie die USA, besser notieren als davon abweichende Staaten. Zwar war nach der Krise von 2008 das Schaffen einer EU-Notierungs-Agentur andiskutiert worden, zur Verwirklichung kam es aber nie im Streit, ob sie staatlich oder privat finanziert sein müsse, um als unabhängig zu gelten.

Schlußfolgernd stellt die Salariatskammer fest, die von der Dreierkoalition proklamierte Staatsschuldengrenze von 30 Prozent des BIP für das AAA-Rating werde überbewertet. Dennoch wird die gemeinsame Schuldenaufnahme über die EU für alle 27 Staaten wie jetzt beim Neustart-Programm als gute Idee bezeichnet, weil die Mutualisierung der Schulden den Einfluß der Rating-Agenturen auf die Zinslast der einzelnen Staaten verringert. Wetten, die ungarische Regierung findet das zur Zeit keine derart tolle Sache!

Quelle: Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek