8. Mai 2025
8. Mai 2025
KomInternÖsterreich

Vergiftete Zuckerl – oder: eine Koalition mit verlängertem Arm der EU-Militärunion und NATO in Regierung und Außenministerium

Übernommen von KOMintern:

Die heutige Angelobung der neuen „Zuckerlkoalition“ stellt einen neuerlichen außenpolitischen Einschnitt in der Zweiten Republik dar. Mit Beate Meinl-Reisinger wird nach jahrzehntelanger Abkehr von Österreichs Neutralitätspolitik und Wende in der Außenpolitik das Außenministerium nun direkt dem verlängerten Arm der NATO bzw. des Brüsseler Polit-Generalstabs der EU-Militärunion im Parlament und der Regierung überantwortet. Und dies zumal noch inmitten einer historisch beispiellosen Aufrüstung der EU, des Schmiedens einer europäischen „(Kriegs-)Koalition der Willigen“ und der entbrannten Debatte um eine Vergemeinschaftung der britischen und französischen Atomwaffen.

Dieter Reinisch, Chefredakteur der Zeitschrift „International“, hat in einem Kommentar zu diesem medial wie in der politischen Debatte weitestgehend übergangenen Skandalon, anlässlich der heutigen Vereidigung der nunmehrigen Koalition seinerseits hingegen als eine der wenigen löblichen Ausnahmen indes hierauf den Finger gelegt, weshalb wir seinen treffenden Kommentar hier auch unsererseits gekürzt wiedergeben.

Während außenpolitische Themen den deutschen Wahlkampf und die Tage nach den Bundestagswahlen prägten, ist es in Österreich ruhig: Außenpolitik wird kaum thematisiert. Doch in beiden Ländern dürften die kommenden Regierungen außenpolitische Zäsuren darstellen.

Die SPÖ gehe mit „einem starken sozialdemokratischen Team in diese Regierung“, war nach der Besetzung der Regierungsposten durch das Parteipräsidium am letzten Februartag zu vernehmen: „Ein Team, das viel Erfahrung, enorme Expertise und große Empathie vereint. Ein Team, das bereit ist, Verantwortung für Österreich zu übernehmen“, war in der Aussendung zu lesen.

Wenig bis nichts war in den Reaktionen aller Parteien, Kommentatoren und Medien über die außenpolitischen Vorhaben der kommenden Regierung zu vernehmen. Dies, obwohl das Außenministerium erstmals an die liberalen NEOS geht.

Über Jahrzehnte hatte die Sozialdemokratie die Außenpolitik geprägt, wodurch Österreich auf internationaler Ebene überproportionales Gewicht erhielt. Der bisher letzte SPÖ-Außenminister war (bis 21. Jänner 1987) Peter Jankowitsch …

Wie Bundespräsident a.D. Dr. Heinz Fischer und Reiner Braun vom Internationalen Friedensbüro in Berlin in der Ausgabe I/2025 der INTERNATIONAL, die kommende Woche erscheinen wird, herausstreichen, waren es Willy Brandt, Olof Palme und Bruno Kreisky, die damals die politische Linie der Sozialistischen Internationale entscheidend formulierten: Gemeinsame Europäische Sicherheitspolitik, Frieden und Dialog standen im Zentrum der Bemühungen.

Kreiskys Schock, dass die SPÖ das Außenministerium an die ÖVP verloren hatte, machte er deutlich: Er kritisierte das 1987 geschlossene Koalitionsabkommen scharf, legte den SPÖ-Ehrenvorsitz nieder und trat von allen Funktionen zurück.

Statt fast vier Jahrzehnte später die historische Chance zu nützen und nach Jahren des Niedergangs der österreichischen Außenpolitik unter der ÖVP dieses Ministerium wieder in sozialdemokratische Hand zu bekommen und mit neuem Leben zu erfüllen, versucht die SPÖ nun, im Finanzministerium den durch ÖVP, FPÖ und Grüne verursachten Scherbenhaufen zusammenzukehren.

Das Außenministerium ging dagegen an die NEOS, eine Partei, die den Grundsätzen einer neutralen, dialogfähigen und nach Frieden und Konsens strebenden Außenpolitik diametral entgegensteht. Beate Meinl-Reisinger, die das Amt führen wird, macht keinen Hehl aus ihrem Wunsch, einen Schlussstrich unter die Außenpolitik der Zweiten Republik ziehen zu wollen.

Ausgerechnet im 70. Jahr der Unterzeichnung des Staatsvertrags, der die „immerwährende Neutralität Österreichs“ festschrieb, wird das Außenministerium von einer Ministerin geführt, die diese lieber heute als morgen abschaffen möchte.

In ihrem Grundsatztext „Internationale Politik“ machen die NEOS deutlich, was sie von der Neutralität halten: Diese sei durch die EU-Mitgliedschaft sowie die Zusammenarbeit mit der NATO (PfP) „weitgehend obsolet, wird aber als Ausrede verwendet, um bei unbequemen Themen passiv zu bleiben“. Dadurch könne Österreich „weder seine eigenen noch europäische Interessen ausreichend vertreten und die politische, wirtschaftliche und militärische Sicherheit der Bevölkerung gewährleisten“.

Diese „militärische Sicherheit“ soll im Rahmen einer EU-Armee verwirklicht werden: „Verstärkung der Zusammenarbeit im militärischen Bereich auf europäischer Ebene. Schaffung eines europäischen Freiwilligenheers.“ Diese EU-Armee ist schwer mit der Neutralität vereinbar, verfolgt – wie durch die militärischen Interventionen im Sahel deutlich erkennbar – neokoloniale Interessen und erweckt den Unmut der lokalen Bevölkerung.

Andere gehen noch weiter: Am 27. Oktober 2024 beschloss die NEOS-Parteijugend „mit 90 Prozent Zustimmung“, wie sie in den sozialen Medien verlautbarte, für den NATO-Beitritt Österreichs einzutreten.

Die Parameter, an denen sich Meinl-Reisinger in ihrem Amt orientieren muss, sind die Verfassung und das Regierungsprogramm, mit dem ÖVP, SPÖ und NEOS „jetzt das richtige tun“ wollen, wie sie im Titel ankündigen. Außenpolitik hat darin kein eigenes Kapitel erhalten, sondern wird in „Sicherheit“ und „Frauen, Staat, Gesellschaft, Internationales und EU“ angeschnitten – Zeichen für den geringen Stellenwert.

Auslandseinsätze, auch unter NATO-Führung, sollen „erhalten und aufgewertet“ werden (83). Die „Sicherheitsinteressen“ des Landes sollen „primär“ durch Umstrukturierung der Streitkräfte „für die Aufgaben der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik in hochmobilen und EU-interoperablen Einheiten“ an den EU-Außengrenzen gewährt werden. (85). Ebenso enthalten ist ein Bekenntnis zur Sky-Shield-Initiative (85f.). In Zukunft soll Meinl-Reisinger, die Befürworterin einer Abschaffung der Neutralität, „klar zur Neutralität [stehen und] im Einklang mit der Verfassung“ arbeiten, wie im Regierungsabkommen zu lesen ist (89).

Mit den NEOS im Außenministerium geht Österreich in der internationalen Politik [indessen] in eine neue Ära. …

Weder in Deutschland noch in Österreich kann die Antwort auf die drohende Gefahr der Ausweitung des Kriegs gegen Russland noch mehr Krieg sein. Weder eine Erhöhung der Rüstungsausgaben in Deutschland noch die Aufweichung der Neutralität werden Frieden schaffen – ganz im Gegenteil: Außenpolitische Kante zu zeigen, um Raum für Diplomatie und Waffenstillstände zu schaffen, wäre jetzt „das Richtige“ gewesen.

Quelle: KOMintern