11. August 2025

11. August 2025
FriedensbewegungUZ - Unsere Zeit

„Eine unerledigte Aufgabe“

Übernommen von Unsere Zeit:

Geschichtliche Verantwortung und nüchterne Kompromissfähigkeit waren Themen der Heidelberger Friedenskonferenz „Wider die Spaltung Europas – Wege vom Feindbild Russland zur friedlichen Koexistenz“, die am 22. Juni stattfand. Der Termin der Heidelberger Friedenskonferenz war mit Bedacht gewählt. Denn anders als in Deutschland ist in den Ländern der ehemaligen So­wjet­union unvergessen, dass der deutsche Überfall auf die So­wjet­union am 22. Juni 1941 den Beginn des deutsch-sowjetischen Krieges mit rund 27 Millionen sowjetischen Toten markierte.

Im Haus der Begegnung begrüßte Joachim Guilliard, Friedensbündnis Heidelberg, rund 130 Interessierte im Namen der Veranstalter (pax christi Heidelberg, Diözesanverband Freiburg, Friedensbündnis Heidelberg, Erhard-Eppler-Kreis, Druschba Heidelberg-Mannheim und Forum Friedensethik in der Evangelischen Landeskirche Baden). „Es gibt wohl keine Familie, die in diesem völkermörderischen Krieg keine Toten oder Verschleppten zu beklagen hatte“, sagte Guilliard. Der geschichtlichen Verantwortung gegenüber den betroffenen Völkern sei die Bundesrepublik nicht gerecht geworden. Auch auf aktuelle Ereignisse ging der Friedensaktivist kurz ein. „Die USA und ihre Verbündeten stemmen sich mit allen Mitteln gegen den Verlust ihrer Vormachtstellung in der Welt und setzen zunehmend auf die Ebene, auf der sie nach wie vor dominierend sind, nämlich die militärische“, so Guilliard. Dies sei der eigentliche Grund, weshalb die NATO-Armeen über Rüstungsausgaben in irrsinniger Höhe hochgerüstet werden. Aufgabe sei, die Kriegsnarrative zu entlarven und daran zu erinnern, dass die europäischen Länder bis vor gut 35 Jahren noch auf einem vielversprechenden Weg waren, die Spaltung Europas zu überwinden und den Frieden durch Entspannung, Kooperation und Abrüstung zu sichern.

Hartmut Müller, pax christi Heidelberg, trug mit zwei Mitgliedern von Druschba Heidelberg-Mannheim Auszüge der Rede vor, die Erhard Eppler am 75. Jahrestag des Kriegsbeginns gegen die So­wjet­union 2016 hielt. Sie handelte davon, wie in der BRD im Zuge des Kalten Krieges die unfassbaren Verbrechen der Wehrmacht verdrängt und verschwiegen wurden. Eppler wandte sich angesichts des Ukraine-Konflikts gegen Geschichtsvergessenheit, Hass und Arroganz und warb für das „gemeinsame Haus Europa“, in dem sowohl Russland als auch die Ukraine ihre Wohnung hätten.

Der Freiburger Friedensforscher und Militärhistoriker Wolfram Wette erinnerte daran, dass die 1995 eröffnete Wanderausstellung „Vernichtungskrieg. Verbrechen der Wehrmacht von 1941 – 1944“ erstmals breitenwirksame Aufklärung leistete. Ausgangspunkt seiner Einordnung des aktuellen Krieges in den historischen Kontext war die Aufsatzsammlung „Frieden mit der So­wjet­union – eine unerledigte Aufgabe“, die er Ende der 80er Jahre an der Forschungsstätte der Evangelischen Studiengemeinschaft (FEST) in Heidelberg mit Erhard Eppler und anderen herausbrachte. Nicht zuletzt thematisierte sie, was damals in Ost und West als großes Zukunftsversprechen anklang: „Gemeinsame Sicherheit“.

Michael von der Schulenburg (BSW) war als Diplomat der OSZE und der UN in vielen Kriegsgebieten der Welt im Einsatz und setzt sich für eine Verhandlungslösung im Ukraine-Krieg ein. Der Vorstellung eines „gerechten Friedens“ erteilte er eine Absage. Denn Frieden sei immer ein Kompromiss von Inte­ressen, bei dem es Gewinner und Verlierer gibt. Dabei gehe es für die Staaten meist um Sicherheitsinteressen, die am Ende diplomatisch geklärt würden. Nicht nur der Einmarsch Russlands, auch der Boykott der ernsthaften Verhandlungen zwischen Ukraine und Russland nach Kriegsbeginn in Istanbul verstoße gegen die in der UN-Charta vereinbarte zwingende Verpflichtung zur friedlichen Beilegung aller Streitigkeiten. Inzwischen sei der Krieg im Grunde entschieden. „Er wird nur weitergeführt, weil wir Europäer uns dafür stark gemacht haben“, sagte von der Schulenburg und machte deutlich, dass in der Endphase des Krieges Soldaten in großer Zahl einfach hingemordet werden für nichts. Ohne erfolgreiche Verhandlungen drohe die Ukraine ihre Staatlichkeit zu verlieren, warnte er.

Der Vorsitzende der AG SPD 60 plus und ehemalige SPD-Bundestagsabgeordnete Lothar Binding, einer der Initiatoren des Manifests der SPD-Friedenskreise, ging auf wenig fachliche Reaktionen ein, die ihm jeden Tag auch aus der eigenen Partei begegnen, wie: „Putin will nicht reden“ oder „Ihr habt graue Haare und wollt nichts mehr werden“. Was den gestandenen Politiker mehr erschreckt: Die Leichtfertigkeit im Umgang mit geforderter „Kriegstüchtigkeit“ und gigantischer Aufrüstung.

Am Flügel spielte Ulrich Becker „Nein, meine Söhne geb‘ ich nicht“ von Reinhard Mey, bevor das Publikum mit dem Podium in einen lebhaften Austausch eintrat.

Der Artikel erschien zuerst auf der Seite antikriegsforum-heidelberg.de.

Quelle: Unsere Zeit