Kompromisslose Durchsetzung der Maximalinteressen des Monopolkapitals

junge Welt, 1. November 2023:

Zur Funktion des Faschismus im Ukraine-Krieg
Vortrag: Jürgen Lloyd

Faschismus war in der Geschichte der Ukraine als gefährlicher Machtfaktor wiederholt von Bedeutung. Das gilt auch heute, beachtet man den Einfluss, den Faschisten – aufgerüstet mit westlichen Waffen – auf die dortige Staatsführung haben.

Welche Bedeutung hat der Faschismus im gegenwärtigen Krieg in der Ukraine? Eine ernsthafte Auseinandersetzung mit dieser Frage erfordert es, den Funktionszusammenhang zwischen Faschismus und Krieg zu erkennen und in klare Begriffe zu fassen. Andernfalls bleibt der Versuch, die Entwicklungen zu verstehen, ein hilfloses Unterfangen, und Fehleinschätzungen sind die Folge.

Der Politikwissenschaftler Reinhard Opitz hat in einem 1974 veröffentlichten Aufsatz darauf hingewiesen, dass das Monopolkapital genau dann seine Macht in faschistischen Formen ausübt, wenn es sich entscheidet, »im Interesse der kompromisslosen Durchsetzung seiner Maximalinteressen« zu handeln, deren Natur dergestalt ist, dass sie die rigorose gewaltsame Ausschaltung aller Widerstände erforderlich macht.

Die Untersuchung, wie die ausschlaggebenden Maximalinteressen im Ukraine-Krieg beschaffen sind und inwieweit deren kompromisslose Durchsetzung es für den Imperialismus des »Wertewesten« erforderlich macht, den Griff zum Faschismus zu wagen, öffnet den Blick auf den Funktionszusammenhang zwischen Faschismus und Krieg. Erst auf Basis der Erkenntnisse, die sie liefert, wird es möglich, folgende Fragen qualifiziert zu beantworten: Ist Faschismus lediglich eine unangenehme Begleiterscheinung des gegenwärtigen Kriegs? Oder hat er Macht? Und wenn ja – welche? Wer ist der Träger und wer hat sie bestellt?

Große Teile der antifaschistischen Bewegung und des Friedenslagers haben die Anwendung der Analysewerkzeuge der historisch-materialistischen Faschismusforschung verlernt oder sie gleich gänzlich aus der Hand gegeben. Ihre selbst verschuldete Hilflosigkeit führt zum Stochern im Nebel und hat gravierende Konsequenzen: So bleibt die Weigerung westlicher Politiker und Journalisten, Faschisten als solche zu erkennen – selbst wenn diese, Nazi-Symbole tragend, vor ihnen stehen –, vielfach unwidersprochen. Und sich links wähnende Aktivisten mobilisieren mit vermeintlich antifaschistischem Impetus gegen die Friedensbewegung, finden ihren Platz in einer Einheitsfront mit NATO-Propagandisten und polemisieren mit einem falschen, die Geschichte verdrehenden Bild von »Querfront« gegen politisch richtige Orientierungen. Auf der anderen Seite verzichtet so mancher Mitstreiter darauf, kritisch die objektiven Interessen zu beurteilen, die in Theorie und Praxis vermeintlicher »Friedensfreunde« zum Ausdruck kommen, begnügt sich mit deren verbalem Bekenntnis gegen den Krieg und verkennt die Demagogie der tatsächlichen – stets faschistischen (!) – Querfront-Strategen. Dies alles sind Gründe genug, die verloren gegangenen Werkzeuge der historisch-materialistischen Faschismusanalyse wieder zu sammeln und sie konsequent ihrer Bestimmung gemäß anzuwenden.

Jürgen Lloyd, geboren 1964 in Mönchengladbach, Vorstandsmitglied der Marx-Engels-Stiftung, engagiert sich in der marxistischen Bildungsarbeit und beschäftigt sich seit Jahren insbesondere mit dem Faschismusbegriff und seinen Konsequenzen für die antifaschistische Strategie. Veröffentlichungen (Auswahl): Faschismus fängt schon in der Küche an. Über nützliche und schädliche Interpretationen des Verhältnisses von Faschismus und Gesellschaft (in: Susann Witt-Stahl/Michael Sommer (Hg.): »Antifa heißt Luftangriff!« Regression einer revolutionären Bewegung, Laika 2014); Der Faschismus auf dem Weg zur Macht (in: Lena Kreymann/Paul Rodermund (Hg.): Eine Welt zu gewinnen. Marx, der Kapitalismus von heute und was wir tun können, Papyrossa 2018); Exportierter Faschismus. Wie über den Kapitalexport auch Herrschaftsinhalte transportiert werden (junge Welt 2023).

Infos & Programm hier: https://www.jungewelt.de/blogs/bandera_komplex

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