Dreimal verwählt

  Sachsen-Anhalt Baden-Württemberg Rheinland-Pfalz
CDU 29,8% – 2,8% 27,0% – 12,0% 31,8% – 3,4%
SPD 10,6% – 10,9% 12,7% – 10,4% 36,2% + 0,5%
Grüne 5,2% – 2,0% 30,3% + 6,1% 5,3% – 10,1%
Die Linke 16,3% – 7,3% 2,9% + 0,1% 2,8% – 0,2%
AfD 24,2% + 24,2% 15,1% + 15,1% 12,6% + 12,6%
FDP 4,9% + 1,0% 8,3% + 3,0 % 6,2% + 2,0%
  Vorläufiges amtliches Ergebnis Vorläufiges amtliches Ergebnis Vorläufiges amtliches Ergebnis

Wir dokumentieren nachstehend einen ersten Kommentar von Arnold Schölzel, Chefredakteur der Tageszeitung »junge Welt«:

In drei Bundesländern sind die Ministerpräsidentin bzw. die Ministerpräsidenten wiedergewählt worden. Offenbar war der sogenannte Amtsbonus entscheidend. Die Regierungschefin von Rheinland-Pfalz und ihre beiden Amtskollegen in Baden-Württemberg und Sachsen-Anhalt werden sich allerdings neue Koalitionen suchen müssen, ihre bisherigen Partner können nicht mehr für eine Regierungsmehrheit sorgen.

Die Bestätigung der drei Länderchefs besagt: Bundespolitisch haben die drei Landtagswahlen keine Auswirkung. Selbst Sigmar Gabriel wird seine Ämter behalten – der Sieg von Frau Dreyer bewahrt ihn vor größeren Debatten über den Parteivorsitzenden. Die Abstrafung der SPD hat offenbar ebenso landesspezifische Gründe wie auch die CDU-Niederlage in Baden-Württemberg.

In Baden-Württemberg kandidierte die DKP nur im Wahlkreis Heidenheim. Sie erreichte dort 144 Stimmen (0,2%), 39 Stimmen mehr als 2011.

Die AfD triumphiert zu recht über ihre Erfolge. Gegen eine längere Dauer des Höhenflugs spricht allerdings mehr als für dessen Fortsetzung. In Magdeburg tönte es in der dortigen Parteizentrale am Wahlabend: »Merkel muss weg! Merkel muss weg!« Das deutet darauf hin, dass wie bisher in der Rechtspartei Ressentiment und Autosuggestion statt Strategie das Bild bestimmen werden. Das hat Leute, die zur Wahl gehen, um den angeblich Herrschenden einen Denkzettel zu verabreichen, nicht davon abgehalten, solchen Truppen weiterhin zu folgen. Die Wahlerfolge der Neonazis von NPD, DVU und Republikanern in den vergangenen 25 Jahre besagen allerdings auch: Die Mischung von Kleinkriminellen, Querulanten, Wirrköpfen und Neofaschisten, aus der sich auch das Führungspersonal der AfD zusammensetzt, ergänzt durch professorale Deutschnationale, zerlegt sich meistens rasch durch kollektive Unfähigkeit. Aufregung ist weder Argument noch Politik.

»Der Wahlerfolg dieser rechtspopulistischen Partei ist ein Schlag gegen jeden Menschen, der Demokratie und Menschenrechte verteidigt. Aber auch eine Aufforderung, sich jetzt erst recht für Schutzsuchende einzusetzen und jegliche Art von Rassismus und Rechtsextremismus zu bekämpfen.«

Ulla Jelpke, innenpolitische Sprecherin der Fraktion Die Linke, gegenüber junge Welt

Die Wahlresultate signalisieren einmal mehr, dass die Kriegs- und »Agenda 2010«-Parteien in der alten Bundesrepublik nicht viel zu fürchten haben, in Ostdeutschland schon eher. Die Zeiten stabiler Dreiparteien, dann mit den Grünen Vierparteienparlamente sind vorbei. CDU, SPD, Grüne und FDP sind in den Augen der Wähler austauschbar – und der Eindruck täuscht nicht: Diese Parteien haben zusammen den Schwenk in Politik eingeleitet, der zu einer sozialen Ungleichheit, zu einer Kluft zwischen Reichtum und Armut in einem Maß geführt hat, die nun selbst bürgerliche Ökonomen zu alarmistischen Äußerungen veranlasst.

Im Westen entschieden letztlich Personen – die beiden dort Wiedergewählten waren für den politischen Kurs der Bundeskanzlerin, insbesondere auch in der Frage des Umgangs mit Flüchtlingen, einer – der CDU-Ministerpräsident Rainer Haseloff – setzte sich von Merkel ab. Er hatte das schlechteste Ergebnis aller drei.

Bundespolitisch wird es vor allem eine Auswirkung der Wahlen dieses Sonntags geben: Es zeichnet sich ab, dass bei der nächsten Bundestagswahl sieben Parteien über die Fünfprozenthürde gelangen. Ob das für die Regierungsbildung etwas bedeutet, bleibt abzuwarten – die Wahrscheinlichkeit ist nicht sehr hoch.

Das schlechte Abschneiden der Linken war absehbar. Die Aussichten, in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz ins Parlament zu gelangen, waren von vornherein gering, die Verluste in Sachsen-Anhalt haben zweifellos mit der Inhaltslosigkeit zu tun, mit der die dortige Linke dort traditionell ihre Wahlkämpfe bestreitet. Die Tatsache, dass sie von der AfD geradezu spielend überholt wurde, ist ein Signal: Die Linke kann sehr schnell bedeutungslos werden, wenn sie lediglich Kopie des Originals, der SPD und der Grünen, sein will. In Mecklenburg-Vorpommern, wo am 4. September, und in Berlin, wo am 18. September ein Landesparlament gewählt wird, hat die Partei die Koalitionen, in denen sie mit der SPD neoliberale »Agenda«-Politik betrieben, bereits teuer bezahlt. Gemessen an der Ignoranz, mit der die dortigen beiden Landesverbände die Ursachen für ihre Verluste für unwesentlich erklären, sind die nächsten Niederlagen programmiert. Auch so lassen sich AfD und andere Demagogen, die politische Reserve der Etablierten fördern.

Quelle: junge Welt / RedGlobe