Merde alors!

Luxemburgs noch amtierender Außenminister wird in diesen Tagen zu so etwas wie einem antifaschistischen Volkstribun hochstilisiert, mit Lobeshymnen in den sozialen Medien; und seine Freunde in der Kanalstraße widmen ihm gleich zwei ganze Zeitungsseiten, aufgefüllt mit einer großen Anzeige eines der größten Unternehmen des Landes. Nun ja, es ist Wahlkampf, und die »Sozialisten« brauchen wahrlich jede Stimme, vor allem für ihr Zugpferd im Süden.

Was war passiert? In einer Konferenz im Rahmen der EU hatte der rechtslastige Innenminister Italiens, der zugleich auch Chef der faschistoiden Partei Lega ist, eine seiner Tiraden gegen Flüchtlinge losgelassen. Daß Herr Salvini dabei zu dummen, unappetitlichen und extrem fremdenfeindlichen Formulierungen neigt, hat sich in seiner kurzen Amtszeit bereits herumgesprochen. Unserem wackeren Außenminister ist wohl diesmal der Kragen geplatzt, er hat Salvini mit ein paar deutlichen – wenn auch nicht unbedingt passenden – Worten geantwortet und seine Replik mit der Bemerkung »Merde alors« beendet.

Das Ganze wäre kaum publik geworden, hätte nicht jemand den Disput mitgeschnitten und per Video ins Netz gestellt. Doch dank dieser (gezielten?) Indiskretion avanciert Herr Asselborn nun zu einer Art Volkshelden, der es dem italienischen Faschisten mal so richtig gezeigt hat. Doch ist das wirklich so?

In Wirklichkeit ist der Disput von Wien das traurige Ergebnis einer völlig verfehlten Migrationspolitik der Europäischen Union, die sich angeblich so rührend um Flüchtlinge und Migranten kümmert und immer wieder verbreiten läßt, daß man der Sache Herr würde, wenn irgendwelche Quertreiber und vorwiegend in Osteuropa beheimatete Holzköpfe sich nicht permanent gegen die quotierte Verteilung der an den Grenzen Kontinentaleuropas ankommenden Flüchtlinge stellen würden. Diese Quotierung war bekanntlich ein Konzept aus der Zeit der luxemburgischen EU-Ratspräsidentschaft – eine Idee, die schon tot war, bevor sie wirklich zu Papier gebracht worden war.

Das Phänomen der Migration ist Jahrtausende alt. Ein Großteil der Bevölkerung Europa und ganz besonders ganz Amerikas besteht aus Nachkommen von Migranten. Vor allem die Industrialisierung hat Arbeitskräfte aus vielen anderen, industriell weniger oder gar nicht entwickelten Gegenden in bestimmten Regionen konzentriert. Und schon immer haben Menschen die Flucht angetreten vor Armut und Hungersnöten, vor allem aber vor Krieg.

Nicht anders ist das heute. Deshalb geht das ganze Gerede der Anführer der EU über die »Bekämpfung der Fluchtursachen« völlig ins Leere, solange nicht Armut, Hungersnöte und Krieg bekämpft werden.

Da das nicht geschieht, kann auch die Saat von Nationalisten, Populisten und Faschisten aufgehen, die auf Kosten der Flüchtenden ihr Süppchen kochen. Aber diese Leute bekämpft man nicht, indem man ihnen »Merde alors« an den Kopf wirft. Diese Leute bekämpft man, indem man ihnen die Grundlagen für ihre Politik entzieht, also auch dadurch, daß man die wirklichen Fluchtursachen erkennt und abschafft. Und indem man wirkliche Menschenrechte durchsetzt, also Grundrechte wie Recht auf Arbeit, auf Wohnen, auf Bildung und gesundheitliche Fürsorge – und nicht nur von »Grundwerten« redet. Wer wie Herr Asselborn meint, daß man Frieden nicht durch internationale Verträge garantiert, sondern »durch Handlungen und Einstellungen von Politikern«, bekämpft weder Fluchtursachen noch faschistoide Hetzer. Merde alors!

Uli Brockmeyer

Quelle:

Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek