Ohne jedes Maß

Nicht erst durch das dümmliche Ansinnen des aktuellen USA-Präsidenten, Dänemark die Insel Grönland abkaufen zu wollen, wird uns in diesen Tagen wieder einmal bewußt, daß in der internationalen Politik Vieles aus dem Ruder läuft, daß diejenigen, die sich anmaßen, Lenker der Weltgeschichte zu sein, jedes Maß verloren haben.

Der gelernte Immobilienspekulant Donald J. Trump setzte die Welt nicht nur mit seinem Kaufangebot für Grönland in Erstaunen – wie sich herausstellte, handelte es sich tatsächlich nicht um einen Aprilscherz, wie ein dänischer Politiker hoffend schrieb – sondern auch mit seiner Reaktion. Zuerst sagte er vergnatzt seinen Besuch beim treuen NATO-Vasallen ab, und dann zeigte er sich auch noch öffentlich empört darüber, daß die dänische Regierung seinen Kaufwunsch »schroff abgelehnt« hat. Nunja, der Realitätssinn des »mächtigsten Präsidenten der Welt« bleibt eben doch deutlich hinter seiner Fingerfertigkeit beim Abfassen von Twitter-»Nachrichten« zurück.

Nicht weit hinter seinem Freund und Vorbild Trump liegt auch der äußerst rechtslastige Präsident Bolsonaro. Der erstaunte uns gestern mit der öffentlich geäußerten Behauptung, »die Umweltschützer« hätten die Wälder im Amazonasgebiet angezündet, weil sie sich dafür rächen wollten, daß ihnen die Regierung die Mittel gekürzt hat. So plump hat schon seit einiger Zeit kein Staatsoberhaupt die Fakten verdreht – ein Präsident, der das Gebiet des Amazonas mit allen seinen menschlichen und tierischen Bewohnern lediglich als Terrain ansieht, in typisch kapitalistischer Manier aus der Natur höchstmöglichen Profit herauszuholen.

Bezüglich der Verschmutzung unserer Umwelt empören sich in diesen Tagen nicht wenige Leute über die ganz offensichtlich als PR-Aktion organisierte Reise der 16-jährigen Greta mit einem Segelboot nach New York. Mit vollem Recht kann man dabei kritisieren, daß die ganze Sache eben doch nicht ganz ohne Flugzeugfliegen zu machen ist, und daß wegen dieser Aktion mehr Leute über den Atlantik fliegen, als wenn Greta allein mit ihrem Vater einen Hin- und Rückflug gebucht hätte. Allerdings sollte man sich vernünftigerweise die Frage stellen, ob das Mädchen, dem man die richtige Absicht auf keinen Fall absprechen sollte, wirklich als Haßobjekt in den »sozialen« Netzwerken geeignet ist.

Mit den Tiraden gegen gut gemeinte, aber nicht unbedingt gut gemachte Aktionen zum Klimaschutz wird allerdings zum Beispiel die Tatsache überdeckt, daß an diesem Wochenende sieben Staatenlenker mit insgesamt deutlich mehr als sieben Regierungsfliegern – allein der USA-Präsident braucht mindestens zwei weitere Großflugzeuge zum Transport seines Helikopters, seiner Staatskarossen und seiner Begleiter – nach Biarritz einfliegen. Man kann getrost erwarten, daß bei diesem Treffen der selbsternannten »großen Industrienationen« weniger Substanz herauskommt als beim Auftritt von Greta bei der UNO-Klimakonferenz.

Und wer heutzutage »Flugscham« propagiert und fordert, daß Urlaubsreisende zusätzlich zu ihrem Flugticket eine Art Kerosinspende löhnen sollen, sollte sich auch die nicht nur sinnlosen, sondern vor allem kreuzgefährlichen Flüge all der NATO-Kampfflugzeuge ansehen, die jedes Mal zu einem »Alarmstart« aufsteigen, wenn ein russisches Flugzeug im internationalen Luftraum über der Ostsee unterwegs ist. Wer so etwas befiehlt, hat tatsächlich jedes Maß verloren.

Uli Brockmeyer

Quelle:

Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek