Ein Anruf zwischen Brüdern

Fernando González telefoniert mit Oscar López Rivera. Foto: Jorge Luis González / GranmaOscar López Rivera kann wieder das Meer aus der Nähe sehen, so wie er es sich viele Jahre lang gewünscht hat. Er kann sich ans Ufer setzen, Bohnen essen und an das unabhängige Puerto Rico denken, von dem er träumt. Und im November wird er nach Havanna kommen, von wo aus er das selbe karibische Meer sehen kann, aber in einer Dimension der Freiheit. Das kündigte am Mittwoch der Präsident des Kubanischen Instituts für Völkerfreundschaft (ICAP) Fernando González bekannt. Er hatte selbst mehr als anderthalb Jahrzehnte in den USA im Gefängnis gesessen, weil er zusammen mit seinen Genossen Kuba gegen antikommunistische Terrorgruppen verteidigt hatte.

Oscar López Rivera wurde 1981 wegen seines Kampfs um die Unabhängigkeit Puerto Ricos verhaftet und von der US-Justiz zu 70 Jahren Haft verurteilt. Anfang 2017 wurde er vom scheidenden US-Präsidenten Barack Obama begnadigt. Am 9. Februar 2017 wurde er nach Puerto Rico überführt, wo er die letzten Wochen bis zu seiner endgültigen Freilassung am 17. Mai in Hausarrest verbrachte.

Rund 200 Personen waren im Gebäude des ICAP zusammengekommen und wurden Zeugen eines Telefongesprächs zwischen Fernando und dem puertoricanischen Kämpfer.

»Bruder«, sagte dieser mehrfach. Auch wenn Störungen in der Verbindung dazu führten, dass man nicht alle Worte Oscars verstehen konnte, herrschte absolute Stille.

»Ich habe immer gedacht, dass wir dich eines Tages durch diese Tür kommen sehen… Heute feiern wir deine wirkliche und definitive Befreiung. Ich erinnere mich an unsere Jahre zusammen in den Gefängnissen der Vereinigten Staaten. Das war die beste Zeit, wenn man im Zusammenhang mit dem Gefängnis dieses Wort benutzen kann.

Wir werden uns am Malecón in Havanna zusammensetzen und uns unterhalten können. Wir warten auf dich als einen Bruder«, sagte Fernando und bekräftigte gleichzeitig, dass der Kampf um die Unabhängigkeit, für den Oscar sich aufgeopfert hat, weitergehe. Der Bruder seinerseits dankte Kuba, dem ICAP und dem Volk der Insel für die immer beständige Solidarität.

»Oscar wird heute freikommen und trifft auf eine Kolonie im Chaos, in der die höhere Schulbildung privatisiert werden soll«, sagte später der Chef der Mission Puerto Ricos in Kuba, Edwin González Vázquez. »Aber er wird weiter für die Entkolonisierung kämpfen. Dieser Kampf ist die Partei , in der Oscar aktiv sein wird«, versicherte er.

Auf den Bildern, die im Netz zirkulieren, sieht man Oscar in Schwarz gekleidet mit einer puertoricanischen Flagge auf dem Hemd gedruckt. Er lächelt, als er seine Anhänger begrüßt, bevor er in einen weißen Jeep steigt. Auf dem Weg zu einer Regierungsstelle, wo er sein elektronisches Armband abgibt, das all seine Bewegungen überwacht hatte. Begleitet wurde er vom Bürgermeister der Stadt San Juan.

Menschen standen an den Straßen des Viertels Santurce in San Juan, als er dort entlang fuhr. Die Versammelten hatten Blumen und Fahnen Puerto Ricos und sangen im Chor: Endlich frei! Ein anderer Chor, der der Universität von Puerto Rico, stimmte Lieder an, als das Auto vorbeikam. Das ist das Puerto Rico, das Oscar empfängt.

1981 zu 55 Jahren Gefängnis verurteilt, sagte er damals, dass die Puertoricaner das Recht hätten, mit allen dazu notwendigen Mitteln für ihre Unabhängigkeit zu kämpfen.

Die ersten Bilder, die während dieser Stunden um die Welt gingen, zeigen ihn ganz nah am Meer und mit seinen Leuten. Typisch für ihn ist sein Plan, in Länder wie Nicaragua und Venezuela zu reisen, um sich für die ihm gewährte Solidarität zu bedanken. Dies alles kann er natürlich erst tun, nachdem er die gebirgige Erde San Sebastians betreten hat, des Ortes, er geboren wurde und an dem er bis zu seiner Jugend lebte.

Quelle: Granma / RedGlobe