Kommunistische Partei der Italienischen Schweiz verurteilt neuen Akt des Antikommunismus in einem EU-Land

Wir dokumentieren eine Pressemitteilung der Kommunistischen Partei (Schweiz) vom 10. November 2015:

Trotz der Ergebnisse der jüngsten portugiesischen Wahlen, die der Mitterechts-Koalition PSD/CDS die absolute Mehrheit gekostet haben, obwohl die im Parlament vertretenen Parteien dem Staatschef die Tatsache der Existenz einer neuen parlamentarischen Mehrheit, welche zur Unterstützung einer Regierung der Sozialistischen Partei (PS) bereit ist, zur Kenntnis gebracht haben, und im Gegensatz zu seinen eigenen Beteuerungen, eine stabile Regierungslösung zu begünstigen, hat der Präsident der Portugiesischen Republik, Aníbal Cavaco Silva, entschieden, den bisherigen Premierminister, seinen Parteifreund (PSD) Pedro Passos Coelho erneut als Premierminister einzusetzen.

Am 22. Oktober motivierte Cavaco diese Attacke auf die Vorrechte des Parlaments in einer der schlimmsten Reden, die jemals von einem Staatsoberhaupt der Nachkriegszeit gehalten wurden, und die Erinnerungen an die schwärzesten Kapitel weckt, wie etwa dasjenige, das durch den griechischen Monarchen Konstantin II. eröffnet wurde, um eine linke Regierung zu verhindern, und das in den faschistischen Putsch der Obristen im Jahr 1967 mündete.

Cavaco fordert von einer Regierung, dass sie das respektiere, was er als “strategische Optionen” definiert: für die NATO und die Europäische Union, den Vertrag von Lissabon und den Euro und ebenso für die Einhaltung der “internationalen Kompromisse” mit Schuldnern und sogar der Erwartungen der “Märkte”. Die von Cavaco gewählten Kriterien zur Eingrenzung dessen, was er den “regierungsfähigen Bogen” nennt, ist nicht viel anderes als die Aufzählung – im negativen Sinne – von wesentlichen Punkten des Programms der Portugiesischen Kommunistischen Partei (PCP), die zum Ausschluss der Kommunisten (und des Linksblocks) von jeder Teilnahme an Regierung führen und ihre Parlamentsabgeordneten, die fast eine Million Wähler vertreten, überhaupt des Rechtes auf Einfluss bei der Regierungsbildung berauben würde.

In klarer Überschreitung seiner Kompetenzen hat Cavaco das Recht usurpiert, ein Anforderungsprofil für eine künftige Regierung vorzugeben, dessen Bestandteile nicht die geringste Grundlage in der Verfassung haben, ganz im Gegenteil, wie es am Beispiel seiner “strategischen Option” für die NATO in Anbetracht des Wortlautes von Artikel 7 Ziffer 2 der Verfassung der Portugiesischen Republik deutlich wird: «Portugal unterstützt die Abschaffung des Imperialismus, des Kolonialismus und jeglicher anderer Form der Aggression, der Beherrschung und der Ausbeutung unter den Völkern ebenso wie die allgemeine, ausgewogene und kontrollierte Abrüstung, die Auflösung der militärisch-politischen Blöcke …».

Die Kommunistische Partei der Italienischen Schweiz

  • verurteilt die beispiellose Haltung von Präsident Cavaco und die Kampagne gegen die Portugiesische Kommunistische Partei (PCP) und gegen die portugiesische Demokratie;
  • bewertet diese Kampagne als einen neuen qualitativen Sprung des Antikommunismus in einem Land der Europäischen Union ausserhalb des Bereichs der Ost-Erweiterung, wo sich dieses Phänomen bereits verallgemeinert und institutionalisiert hat;
  • betrachtet die gegenwärtige Manifestation der Antikommunismus als beispielhafte Demonstration für die dieser Ideologie und Praxis innewohnende Tendenz, auch den Aktionsbereich der Sozialdemokratie einzuschränken und sich gegen das gesamte demokratische und fortschrittliche Spektrum zu richten: Wie üblich gilt der Angriff auf eine kommunistische Partei den Klassenkämpfen, an deren Vorhut die KP steht. Cavaco will den 62 Prozent der Wählern, die ihre Ablehnung der scheidenden Regierung zum Ausdruck gebracht haben – mit einem Stimmenanteil, der dem “Nein” im griechischen Referendum vom Juli entspricht – das gebührende institutionelle Gewicht bei der Zusammensetzung der Regierung verwehren. Und schliesslich geht es um einen Schlag gegen die Grundlagen des demokratischen Regimes, das die Portugiesen nach 40 Jahren faschistischen Terror und opferreichen Kämpfen erobert haben, wie auch im Präsidentenpalast bekannt sein dürfte, obgleich der seinerzeitige Professor Cavaco Silva die Erfahrungen der Opposition nicht teilte;
  • lenkt die Aufmerksamkeit des demokratischen Lagers auf das mit Zuspitzung der Klassenkämpfe grösser werdende Risiko einer europaweiten antikommunistischen Epidemie, die von den Mächten der EU und von supranationalen Organisationen auf europäischer Ebene gefördert, orchestriert und gedeckt wird; sowie auf die Notwendigkeit, koordinierte und konvergierende Strategien unter den Kräften zu entwickeln, die bereit sind zur Verteidigung der Demokratie – der Plattform, auf der diese Kräfte sich kreuzen – gegen den Antikommunismus, die Waffe der am meisten antidemokratischen und antisozialen Ambitionen;
  • verurteilt das Verhalten der grossen Massenmedien, die, von wenigen Ausnahmen abgesehen, den Ereignissen in Lissabon mit Achselzucken begegnen, und wundert sich über die passive Haltung, welche vorab die Sozialdemokratien Europas, aber auch die meisten Mitglieder der Europäischen Linkspartei, zu einem Vorgang einnehmen, der auch ihre Verbündeten in Portugal zur Zielscheibe hat;
  • bekräftigt ihre Solidarität mit der PCP und den Kämpfen der Arbeiter und des Volkes von Portugal für einem Bruch mit der rechtsgerichteten Politik, die das Land in den wirtschaftlichen, sozialen und politischen Abgrund geführt hat; für eine patriotische, linke Politik, welche die Prozesse von Lohn- und Sozialabbau, Ersticken der Produktivkräfte, Privatisierungen und Ausverkauf der nationalen Souveränität umkehrt, und für eine Alternative auf Regierungsebene, die den Wahlergebnissen Ausdruck verleiht.

Kommunistische Partei der Italienischen Schweiz
Massimilano Ay, Politischer Sekretär

Quelle: kommunisten.ch / RedGlobe