Die Flüchtlinge und das böse Erwachen

Wir dokumentieren nachstehend einen Kommentar der Donnerstagausgabe der Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek aus Luxemburg zu den Ergebnissen der Landtagswahlen am vergangenen Sonntag.

Die Ergebnisse der Landtagswahlen in drei deutschen Bundesländern dürften niemanden wirklich überrascht haben. Es war bereits lange vor dem Urnengang absehbar, dass sehr viele Menschen gewillt waren, den »etablierten Parteien« einen Denkzettel zu verpassen und sowohl gegen die fortgesetzte Austeritätspolitik als auch gegen den Umgang der Regierungsparteien mit Flüchtlingen und Migranten zu protestieren. Das ist durchaus legitim, und dazu sind Wahlen in der bürgerlichen Demokratie auch da.

Problematisch wird es, wenn man nach Alternativen sucht. Mit kräftiger Unterstützung der Medien – dabei sei dahingestellt, ob gewollt oder ungewollt – bot sich die »Alternative für Deutschland« als Protest- und Denkzettelpartei an. Mit simplen Losungen wie »Merkel muß weg!« – bei denen sie sich kaum oder gar nicht von tumben PEGIDA-Marschierern und NPD-Nazis unterschied – warb die Partei um die Stimmen der Unzufriedenen. Das hat bewirkt, dass viele Menschen überhaupt zur Wahl gegangen sind, aber auch, dass viele Wähler mit einem mehr oder weniger linken Gewissen ihr Kreuz bei der AfD gemacht haben. dass die dann mit zweistelligen Ergebnissen in die drei neugewählten Landtage in Mainz, Stuttgart und Magdeburg einziehen würde, hatten alle Umfragen überdeutlich vorausgesagt.

Die massive Präsenz von AfD-Leuten in den Landtagen bedeutet selbstverständlich einen Rechtsruck im politischen Spektrum in unserem Nachbarland jenseits der Mosel. Viele der neuen Abgeordneten werden zunächst Mühe haben, sich mit ihrer Rolle als »Volksvertreter« zurechtzufinden, denn außer fremdenfeindlichen Losungen war bisher nicht viel über politische Inhalte dieser Partei zu hören. Nun werden sowohl die Mandatsträger als auch viele ihrer Wähler nach und nach mitbekommen, dass die »Alternative« keine wirkliche Alternative zur herrschenden Politik ist. Denn die Ablehnung der unbegrenzten Aufnahme von Migranten entspricht weitgehend der Linie der regierenden Parteien, vor allem der bayerischen CSU. Nur haben die Merkel, Seehofer & Co. manches ein wenig anders formuliert…

Viel wichtiger jedoch wird sein, wenn mehr Menschen begreifen, welches politische Programm sie mit der AfD hoffähig gemacht haben. Denn die politische Linie dieser Partei bewegt sich sehr weit am rechten Rand. Ein böses Erwachen wird es besonders für Geringverdiener, Alleinerziehende, Arbeitslose und Menschen mit Behinderung geben. Mindestlohn und gesetzliche Altersrentenversicherung stehen ganz oben auf der Streichliste. Die AfD ist vor allem gegen die unkontrollierte Migration, es sollen also nur solche Flüchtlinge ins Land kommen, die eine gute Ausbildung und gute Sprachkenntnisse haben und ohne zusätzliche Kosten sofort für kapitalistische Ausbeutung zur Verfügung stehen. Das entspricht völlig den Interessen der herrschenden Klasse, und damit auch der Politik der Parteien, die deren Interessen bisher vertreten.

Bleibt immer noch die Frage der wirklichen Alternative. Die konnte in einigen Orten in Hessen bei den Kommunalwahlen zum Teil beantwortet werden. Dort haben nämlich Kommunisten nicht mit simplen Schlagworten um sich geworfen, sondern haben das Gespräch mit den Wählern gesucht. Die klagen über alltägliche Probleme wie steigende Mieten oder marode Infrastruktur. »Wir haben die Widersprüche aufgedeckt«, sagte ein DKP-Genosse in Kassel. »Dann haben wir gefragt: Was hat das mit den Flüchtlingen zu tun?« Die Kommunisten in Hessen hatten Erfolg mit ihren Vorschlägen für eine soziale Alternative. Aber es geht hier nicht nur um Erfolg bei den Wahlen, sondern um den viel wichtigeren Erfolg, vielen Menschen beim Denken geholfen zu haben.

Uli Brockmeyer, Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek