Wer will Frieden?

Die aktuellen Entwicklungen in Syrien erzeugen einen Funken Hoffnung, daß es mit Inkrafttreten der Waffenruhe zu einer Lösung des Problems kommen kann. Ob jedoch aus diesem Funken eine Flamme der Hoffnung wird, ist noch längst nicht ausgemacht. Denn es gibt leider zu viele Anzeichen dafür, daß etliche der Beteiligten nicht an einem wirklichen Frieden interessiert sind.

Tatsache ist, daß die bestimmenden Kräfte in den USA, in der NATO, in der EU und in Israel, ebenso wie die reaktionären Herrscher der Golfmonarchien und der Türkei, die Hoffnung nicht aufgeben wollen, das ihnen zutiefst verhaßte System in Syrien zu zerschmettern und eine ihnen genehme Ordnung in dem Land einzuführen. Dazu bedienen sie sich weiterhin aller Mittel und Waffen, die sie nur kriegen können. Zwar konnte angesichts der Aussichtslosigkeit der Lage zunächst erreicht werden, daß in weiten Teilen des Landes die Waffen schweigen, aber es ist bereits vor Beginn der Feuerpause deutlich geworden, daß der Westen und seine Verbündeten an ihrem erklärten Ziel festhalten: dem Sturz von Präsident Assad.

So wurde aus dem Stab der obersten Generäle der USA-Streitkräfte bekannt, daß es durchaus einen »Plan B« gibt, dessen Existenz Außenminister Kerry stets geleugnet hat. Die Militärs denken eben nicht nur pragmatischer als die Diplomaten, sie reden auch so. Man rechnet in den militärischen Planungszimmern damit, daß die Waffenruhe nicht halten werde, und daß man dann in der Öffentlichkeit als Schuldige für das Scheitern selbstverständlich »die Russen« präsentieren werde. Das mit »überzeugenden« Argumenten rüberzubringen, ist sicher kein Problem, denn Rußland wird ohnehin in den Medien als die wesentliche Kriegspartei in Syrien dargestellt, die man zwingen mußte, der Waffenruhe zuzustimmen.

Die Haltung des Westens gegenüber der legitimen syrischen Regierung hat sich ebenfalls nicht geändert. Obwohl Parlament und Präsident nach bürgerlich-demokratischen Prinzipien gewählt wurden, wird vor allem Baschar al-Assad die Legitimität abgesprochen. Es spielt gar keine Rolle, ob man den Mann mag oder nicht, doch ohne jeden Zweifel wurde er auf den Posten mit mehr Rückhalt des Volkes gewählt als jeder Präsident der USA in den letzten Jahrzehnten. Oberster Politiker und Kriegsherr der USA kann man nämlich schon mit etwa einen Viertel der Stimmen der Wahlberechtigten werden. Es ist schon sehr kühn, das als höchsten Maßstab von Demokratie zu verkaufen.

Dennoch wird Assad in den bürgerlichen Medien stets als »Machthaber« bezeichnet, und selbst offizielle Vertreter westlicher Staaten – wie erst in diesen Tagen BRD-Außenminister Steinmeier – sprechen vom syrischen »Regime«, wohl wissend, daß es sich bei diesem Begriff um eine klare Herabwürdigung handelt. Kann man diese Leute ernst nehmen, wenn es darum geht, am Verhandlungstisch eine Lösung zu finden?

Die westlichen Staaten, der türkische Präsident und die Golfmonarchen haben nicht aufgehört, die bewaffneten Assad-Gegner – egal welcher Couleur – zu unterstützen, politisch, moralisch, finanziell und militärisch. Selbst angesichts der größten Flüchtlingskatastrophe seit dem Zweiten Weltkrieg sind diese Leute nicht bereit, die Ursachen zu benennen, und sie bekämpfen weiterhin die Flüchtlinge statt die Fluchtgründe. Einer der wichtigsten Fluchtgründe ist zweifellos der Krieg in Syrien. Doch statt alles zu tun, diesen Krieg effektiv zu beenden, spielen »unsere« Politiker weiter mit dem Feuer – und mit dem Leben Hunderttausender in den Kriegsgebieten und auf den Fluchtrouten.