Offener Brief des Vizepräsidenten Venezuelas an das US-Finanzministerium

Offener Brief in der New York Times. Grafik: TwitterVenezuelas Vizepräsident Tareck El Aissami hat mit einem offenen Brief auf die Entscheidung des US-Finanzministeriums reagiert, ihn auf eine Liste mit Personen zu setzen, die in den internationalen Drogenhandel verwickelt sind. Das Schreiben erschien als ganzseitige Anzeige in der »New York Times«. Wir dokumentieren nachstehend die von der venezolanischen Botschaft in Berlin besorgte deutschsprachige Übersetzung.

Herrn Steven T. Mnuchin, Washington, D.C.

Als venezolanischer Staatsbürger und Vizepräsident der Bolivarischen Republik Venezuela wende ich mich an Sie, um zu den am 13. Februar 2017 vom Büro des US-Finanzministeriums zur Kontrolle ausländischer Geldanlagen (OFAC) beschlossenen Maßnahmen gegen meine Person Stellung zu nehmen.

Zunächst wurden Sie als Behörde, zu der das OFAC gehört, von Gruppen aus Politik, Lobbyisten und Interessengruppen der USA getäuscht, die sich vorgenommen haben, zu verhindern, dass die Vereinigten Staaten und Venezuela ihre politischen und diplomatischen Beziehungen auf der Grundlage von gegenseitiger Anerkennung und Achtung wieder aufbauen. Diesen Interessengruppen fehlen nicht nur die Beweise zur Untermauerung der schweren Anschuldigungen gegen mich, sondern sie haben bewusst Falschinformationen in Umlauf gebracht, um der Regierung der Bolivarischen Republik Venezuela, die einen direkten und transparenten Kampf gegen den internationalen Drogenhandel führt, über meine Person Verbrechen vorzuwerfen.

Sie sollten wissen, dass wir, als ich in meinem Land von 2008 bis 2012 für die öffentliche Sicherheit verantwortlich war, die größten Fortschritte unserer Geschichte und des Kontinents im Kampf gegen die Drogenkartelle sowie den internationalen Drogenhandel und seine Logistik gemacht haben. In dieser Zeit haben die Anti-Drogen-Behörden Venezuelas unter meiner Führung 102 Köpfe krimineller im Drogenhandel tätigen Organisationen gefasst, inhaftiert und in Venezuela oder auf deren Antrag hin in anderen Ländern vor Gericht gestellt. Von den bedeutenden Drogenbossen wurden auf Antrag der jeweiligen Länder 21 an die Vereinigten Staaten von Amerika und 36 nach Kolumbien ausgeliefert. Mit diesem Vorgehen wurden die internationalen Vereinbarungen zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität umgesetzt, was die Regierungen der USA und Kolumbiens offiziell anerkannt haben.

Zwischen 2005 und 2013 wurden von den venezolanischen Behörden pro Jahr durchschnittlich 56,61 Tonnen Drogen beschlagnahmt. Diese Zahl liegt weit über den 34,94 Tonnen, die in den sechs vorangegangen Jahren jedes Jahr beschlagnahmt wurden, als die DEA, die Anti-Drogen-Behörde der USA, in Venezuela tätig war. Allein diese Zahl bescheinigt der DEA schon das fehlende Engagement im Kampf gegen den Drogenhandel und untermauert die Verbindungen dieser Behörde zu den kriminellen im Drogenhandel tätigen Organisationen.

Ebenso haben die Vereinten Nationen Venezuela als Land ohne Drogenanbauflächen eingestuft.

Die außergewöhnlichen Erfolge der Bolivarischen Republik Venezuela bei der Bekämpfung des Drogenhandels die unter meiner Leitung der Öffentlichen Sicherheit verzeichnet werden konnten, wurden von internationalen Organismen wie der UNO anerkannt und in den Archiven der Justizorgane der USA und Kolumbiens abgelegt. Die beiden Länder haben darüber hinaus meine Bemühungen im Kampf gegen die organisierte Kriminalität anerkannt, die in unserer Hemisphäre beispiellos gewesen sind.Aufgrund seiner festen Entscheidung zur Konfrontation der internationalen Drogenmafias unterzeichnete der damalige Präsident Hugo Chávez 2012 ein Gesetz zum Abfangen von drogentransportierenden Flugzeugen, die den venezolanischen Luftraum verletzen. Mithilfe dieses fortschrittlichen Rechtsmittels gelang es Venezuela über 100 Flugzeuge zu zerstören, unbrauchbar zu machen oder abzuschießen, die für die Logistik des Drogenhandels aus Kolumbien oder anderen Nachbarländern verwendet wurden und ohne Erlaubnis in unseren Luftraum eingedrungen sind.

Venezuela hat einen offenen und gnadenlosen Kampf gegen den Drogenhandel begonnen, da es sich um ein grenzüberschreitendes Verbrechen gegen die Menschheit handelt und weil der Kampf gegen dieses eine Verantwortung ist, die wir mit den anderen Mitgliedern der internationalen Gemeinschaft teilen. Venezuela hat auch den Drogenkartellen den Kampf angesagt, da unser Land und unser Volk zu ihren Opfern gehört, insbesondere der mächtigen kolumbianischen Drogenindustrie, die als Hauptversorger die Straßen der USA und Europas mit Drogen überschwemmt. Es gibt vieles, über das sie Sie sich zunächst informieren sollten, bevor Sie Ihren Namen unter eine falsche und voreilige Anschuldigung setzen, die von anti-venezolanischen Bürokraten und Interessengruppen aufgesetzt wurde und die die Beziehungen zwischen beiden souveränen Staaten als gefährlichen Präzedenzfall belastet.

Die Entscheidung der Ablehnung dieser rechtswidrigen Maßnahmen von 120 Ländern zeigt zwingend den schweren Fehler auf, den die US-Regierung mit dieser einseitigen und gegen Völkerrecht verstoßenden Maßnahme begangen hat.

Politische und geopolitische Überlegungen einmal beiseite genommen, stellt die Entscheidung der OFAC eine schwere Verletzung meiner Menschenrechte sowie meine Würde und Ehre dar. Ich bin meinen privaten, beruflichen und politischen Lebensweg in meinem Land gegangen, das ich zutiefst liebe und dem ich, im Rahmen eines politischen Vorhabens mit übergeordneten Zielen wie dem Glück unseres Volkes, Gleichheit und soziale Gerechtigkeit, mein Leben gewidmet habe. Ich besitze kein Eigentum oder Konten in den Vereinigten Staaten oder in einem anderen Land auf der Welt und es ist so absurd und pathetisch, dass ein US- amerikanisches Verwaltungsorgan – ohne Vorlage von Beweisen – eine Maßnahme über die Sicherstellung von Gütern und Vermögen gegen mich beschließt.

Die vorgeblichen Sanktionen, die noch am gleichen Tage ihrer Genehmigung im Finanzministerium von der OFAC beschlossen wurden, sind rechtswidrig und verstoßen gegen das Völkerrecht. Ein amtliches Vorgehen ohne jegliche Beweise, das zu einer extraterritoriale Politik außerhalb der Zuständigkeit wird, verletzt das gesamte, weltweit geltende System der Menschenrechte.

Während sich eine Verwaltungsstelle das Recht herausnimmt weltweit, Anschuldigungen gegen Personen ohne Beweise vorzubringen, wie internationale Organismen und akademische Untersuchungen bestätigen, ist der »Krieg gegen die Drogen« auf dem gesamten Planeten und dem Staatsgebiet der Vereinigten Staaten von Amerika paradoxerweise gescheitert. Heutzutage gelangen so viele Drogen wie nie zuvor in die USA. Eine korrupte und mächtige Finanzstruktur legitimiert und wäscht die Gelder, die in diesem grenzüberschreitenden Geschäft verdient werden, das tausenden Jugendlichen in den USA das Leben und die Zukunft nimmt.

Die USA sind der Welt und ihrem eigenen Volk eine Reflexion über ihren grandioses Scheitern im Kampf gegen den Drogenhandel schuldig. Dort, wo der so genannte »Krieg gegen den Drogenhandel« als unilaterale Strategie angewendet wurde, sind die Drogenkartelle heute sostark wie nie zuvor, die Produktion illegaler Drogen hat sich vervielfacht und der Handel sorgt für ökonomische und menschliche Verluste.

Wie viele Drogenbosse haben die USA in ihrem Land gefasst? Wie viele Banken und Steuerparadiese wurden von den USA dicht gemacht, da sie dieses riesige Geschäft und Verbrechen gegen die Menschheit finanzielle Unterstützung leisten? Während die Befugnis zur extraterritoriale Einstufung, Anschuldigung und Bestrafung von Personen und Ländern verfechtet wird, haben die USA keines der internationalen Abkommen zu dieser heiklen Angelegenheit ratifiziert.

Die USA müssen nachdenken und Korrekturen vornehmen. Korrigiert werden muss die Anwendung von Politik und Maßnahmen, die gegen das Völkerrecht verstoßen, gemäß den Menschenrechten aggressiv und ungerecht sind, internationale Beziehungen belasten und sogar in den USA gegen die eigene Verfassung verstoßen. Die USA müssen korrigieren und dabei anerkennen, dass nur die transparente und ehrliche Zusammenarbeit zwischen den Staaten zu den Erfolgen führen kann, die von der internationalen Gemeinschaft und den Menschen auf der Welt im Kampf gegen diese Geißel ersehnt werden.

Ich bin Venezolaner, Bolivarianer und Lateinamerikaner. Ich bin voll und ganz von den Idealen der Unabhängigkeit, Gerechtigkeit und Freiheit überzeugt, für die unsere Befreier ihr leben ließen und ich bin bereit bei der Verteidigung unserer Souveränität, unserer Heimat und unseres Volkes das gleiche Schicksal zu akzeptieren.

Tareck El Aissami
Vizepräsident der Bolivarischen Republik Venezuela

Quelle: Botschaft Venezuelas / RedGlobe