Wo ist Santiago Maldonado?

ArgentinaEinen Monat nach dem Verschwinden von Santiago Maldonado verlangen mehr als 600 Wissen­schaftler, Künstler, Kultur- und Medienschaffende aus aller Welt von der argentinischen Regierung Aufklärung über den Verbleib des Aktivisten. Unter den Unterzeichnenden der vom Kollektiv Observatorio Argentino initiierten Erklärung befinden sich Akademiker verschie­dener europäischer und lateinamerikanischer Länder sowie aus den USA, Kanada, Israel, Australien und Neuseeland. Profilierte Intellektuelle haben sich dem Aufruf angeschlossen, darunter die Schrift­steller Silviano Santiago, Lina Meruane, Sylvia Molloy, José Luis Alonso, Nicola Viceconti und Luiz Ruffato, die Filmemacher Michael Chanan, Peter B. Schumann und Consuelo Lins, und die Wissenschaftler Mark Healey, Antonius Robben, Hólmfríður Garðarsdottir, Mary Louise Pratt, Martín Lienhard und Julio Ortega.

Santiago Maldonado wurde zuletzt am 1. August lebend gesehen bei einem Überfall der Nationalen Gendarmerie auf die Mapuche-Gemeinschaft Lof Cushamen in der Provinz Chubut, die sich gegen die Einverleibung ihrer Stammesgebiete durch eine Holding-Gesellschaft des Benetton-Konzerns widersetzt. Obwohl Pablo Noceti, Kabinettschef der Ministerin für Sicherheit Patricia Bullrich vor Ort gesehen wurde, als der Überfall stattfand, übernimmt die argentinische Regierung keinerlei Verantwortung für das Verschwinden von Sergio Maldonado und verbreitet gezielt Falschmeldungen über seinen Verbleib. Die Familie des Aktivisten sowie Menschenrechtsorganisationen wie das UN-Komitee gegen das gewaltsame Verschwindenlassen von Menschen und die Interamerikanische Kommission für Menschenrechte befürchten, argentinische Sicherheitskräfte könnten Maldonado verschleppt und ermordet haben.

In ihrer Stellungnahme fordern die über 600 Intellektuelle aus mehr als dreissig Ländern Präsident Mauricio Macri und Ministerin Patricia Bullrich auf, “sofort alle notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um den Verbleib von Santiago Maldonado zu klären“ und „eine gründliche und unparteiische Nachforschung der Ereig­nisse vom 1. August in der Gemeinschaft Pu Lof en Resistencia einzuleiten, deren Ergeb­nisse zu veröffentlichen sowie die Verantwortlichen für die Verletzung von Menschenrechten vor Gericht zu bringen“. Was das Vorrücken agroindustrieller und extraktivistischer Konzerne in indigene Siedlungsgebiete angeht, fordern die Unterzeichnenden die argentinische Regierung auf, die Gendarmerie aus den betroffenen Gemeinschaften abzuziehen und alle notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um die physische Unversehrtheit der Mapuche-Gemeinschaft Pu Lof en Resistencia zu garantieren, den inhaftierten Mapuche-Aktivisten Facundo Jones Huala freizulassen und eine tragbare Lösung für die legitime Forderung der Mapuche-Gemeinschaft Lof Cushamen auf Rückgabe ihrer Ländereien anzubieten.

Rückblickend auf die Blutbäder und Gemetzel, die der argentinische Staat gegen die Ureinwohner, gegen Bauern und Arbeiter Patagoniens seit dem 19. Jh. verübte, stellen die Unterzeichnenden fest, dass „das Handeln der argentinischen Regierung und die Erklärungen der Ministerin Bullrich […] heute aufs Neue an die mörderische Geschichte des argentinischen Staates “ gemahnen. Sie fordern die Regierung Argentiniens auf, dieses Mal „ihrer demokratischen Pflicht nachzukommen und die Rechte ihrer Bürgerinnen und Bürger zu verteidigen, anstatt Gewalttaten gegen jene zu legitimieren oder sogar selbst zu verüben, deren Bürgerrechte sie zu schützen verpflichtet ist.“

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