2. Dezember 2024

Grußwort von Reiner Braun, Abrüsten statt Aufrüsten, beim 22. DKP-Parteitag

Wir dokumetieren das Grußwort von Reiner Braun von der Kampagne „Abrüsten statt Aufrüsten“ auf dem 22. Parteitag der DKP.

Liebe Friedensfreundinnen und Friedensfreunde,

die Zeitung „Die Welt“ spricht letzte Woche wieder von „der Ostfront“, an der deutsche Soldaten kämpfen müssen, deutsche Truppen stehen geschichtsvergessen wieder 150km von St. Petersburg entfernt.

Wir und besonders ihr wisst: was es bedeutet, wenn wieder gen Ostenmarschiert wird: Es besteht real und aktuell die Gefahr eines großen –möglicherweise die Weltvernichtenden Krieges. Und die Verantwortung für diese Situation ist einfach und zu benennen:

Die NATO, besonders die USA und die Bundesregierung.

Es geht nicht mehr um Systemkonkurrenz sondern um imperiale Interessen, um die Neuaufteilung der Welt, unter in den letzten Jahren grundsätzlich veränderten weltweiten Kräftekonstellationen.
Sozusagen in das Herz, in das Zentrum dieser Kriegs und Aufrüstungsaktivitäten soll der Aufruf „abrüsten statt aufrüsten“ treffen. Er soll die Schlagader der Kriegsvorbereitung, die notwendigen finanziellen Ressourcen treffen

Knapp und zusammengefasst heißt der Aufruf: Nein zu den NATO 2% BIP für die Rüstung. Abrüstung ist das Gebot der Stunde

Am 6.11.2017 wurde der Aufruf „abrüsten statt aufrüsten“ veröffentlicht. Die ca. 90 ErstunterzeichnerInnen – unter ihnen vier Gewerkschaftsvorsitzende, wissenschaftliche Nobelpreisträger, Abgeordnete aus drei Parteien des deutschen Bundestages, FriedensforscherInnen, UmweltwissenschaftlerInnen und UmweltaktivistInnen, HochschullehrerInnen, die sich einer kritischen und aufgeklärten Wissenschaft verbunden fühlen, sowie FriedensaktivistInnen aus unterschiedlichen Organisationen – wenden sich gemeinsam an die Öffentlichkeit und rufen zu einer hoffentlich großen Unterschriftensammlung auf:
Was verbindet diese gesellschaftliche Koalition so unterschiedlicher, in vielen Auseinandersetzungen der letzten Jahre eher gegensätzliche Kräfte? Was führt zu dieser neuen Gemeinsamkeit, die viel an die Friedensbewegung der 80er Jahre erinnern lässt?

Es ist die Sorgen um den Frieden in der Welt und die Einsicht in die Gefahren einer hemmungslosen Aufrüstung.

Dabei geht es nicht um abstrakte Zahlen. Die Beschlüsse des NATO-Gipfels von Newport/Wales 2015 und Warschau 2016 sowie ihre Bestätigung von Brüssel 2017 in allen NATO-Ländern 2% des Bruttosozialproduktes für die „Verteidigungsanstrengungen“ bereit zu stellen, klingen erst einmal nicht so dramatisch, 2% von 100% scheinen nicht besonders viel.

Abstrakte Zahlen konkret nachgefragt, zeigen ein anderes Bild. Die Bundesregierung gibt 2017 ungefähr 1,3% des Bruttosozialproduktes (BSP) für Verteidigung aus. Die sind ca. 35 Milliarden Euro. 2% des BSP würde bei einer angenommenen Steigerungsrate des Bruttosozialproduktes um 1,5% pro Jahr eine faktische Verdoppelung dieser Rüstungsausgaben auf ca. 65 bis 70 Milliarden bedeuten. Selbst bei einer leichten Steigerung des Bundeshaushaltes würde der Ansatz für den „Verteidigungsetat“ von bislang 9% auf 15 bis 20% wachsen.

Dieses wäre aus dem Haushalt nur zu finanzieren, wenn die Steuern massiv steigen oder die Ausgaben für andere Ressorts drastisch gesenkt würden.
Wie heißt es im Aufruf „abrüsten statt aufrüsten“:

Zwei Prozent, das sind mindestens weitere 30 Milliarden Euro, die im zivilen Bereich fehlen. So bei Schulen und Kitas, sozialem Wohnungsbau, Krankenhäusern, öffentlichem Nahverkehr, Kommunaler Infrastruktur, Alterssicherung, ökologischem Umbau, Klimagerechtigkeit und internationaler Hilfe zur Selbsthilfe.

Einige Zahlen, die diese Aussage untermauern.

Um den massiven Investitionsstau in der Infrastruktur (u.a. Bahn, Radwege, Brücken) abzubauen, sind in den nächsten Jahren nach Meinung des DGB mindestens 50 Milliarden notwendig.
Jährlich müssen 450.000 neue Wohnungen gebaut werden, viele davon mit einer starken Sozialbindung. Kostenpunkt 20 Milliarden in den nächsten 5 Jahren.

Nur der Einstieg in eine sozial-ökologische Transformation der Gesellschaft (der Wissenschaftliche Beirat für Globale Umwelt WBGU spricht von der Notwendigkeit einer „großen Transformation“) wird für die Zukunftssicherung und Gestaltung jährlich Milliarden kosten, wenn diese gerecht und sozial durchgeführt werden soll.

Schulen und Hochschulen stehen auf der Kippe. Ein Modernisierungsprogramm muss in einem ersten Schritt auf zehn Jahre angelegt sein. Es erfordert einen jährlichen Investitionsbedarf von 3,2 Milliarden Euro für die Schulen und einer Milliarde Euro für die Hochschulen.

Spätestens im 21. Jahrhundert können wir uns Hochrüstung und sozial-ökologische Sicherheit und Nachhaltigkeit nicht mehr leisten.

Täglich erfahren wir doch: Geld für eine tragfähige Rente, für eine Erhöhung der Hartz4 Sätze auf ein menschenrechtlich verantwortbares Niveau, höhere Löhne im öffentlichen Dienst – immer ist angeblich kein Geld da. Wenn die NATO ruft und Frau von der Leyen den Mund auf macht, klingeln die Kriegskassen. 51 Milliarden haben die bisherigen Interventionskriege von Afghanistan über Somalia bis Mali gekostet. Das Ergebnis ist weniger Sicherheit auch bei uns. Wir brauchen ein neues Sicherheitsparadigma. Sicherheit kann nur noch folgendermaßen buchstabiert werden: sozial und Ökologisch, kooperativ und abgerüstet in einer gerechteren Welt.

Es geht aber nicht nur um die Aufrüstung unseres Landes: die weltweiten Ausgaben für den Rüstungsbereich liegen 2017 bei 1,7 Billionen US Dollar, davon gibt die NATO jetzt schon über 800 Milliarden aus, China ca. 200 Milliarden, Russland ca. 65 bis 70 Milliarden.

Bei 2 % Ausgaben in allen NATO-Staaten würden diese Ausgaben in den NATO-Ländern auf ca. 1 bis 1,2 Billionen steigen. Exakte Daten sind schwer vorherzusagen, da der rüstungswahnsinnige US Präsident Trump den US Etat von 2017 für 2018 alleine um 65 Milliarden auf dann ca. 700 Milliarden US Dollar als „Basishaushalt“ erhöhen will.

Was für eine Vergeudung von Ressourcen. Welche Unmenschlichkeit steckt hinter diesen Zahlen: jeden Tag gehen fast 1 Milliarde Menschen hungrig zu Bett.

Die 2016 verabschiedeten Sustainable Development Goals (SDG), so großartig die Pläne der UN gegen Hunger, Armut, für gerechten Wasserzugang und Erziehung für alle sind, ohne Finanzierung ist alles fast nichts. Die UN beziffert die Ausgaben für die Realisierung dieser ambitionierten Ziele auf ca. 300 Milliarden Dollar pro Jahr!

Die Herausforderungen der Klimaveränderungen sind täglich weltweit stärker spürbar. Für die Lösung dieser Herausforderungen hat die UN einen Green Climate Fund der UN zur Anpassung an die globalen Krisenveränderungen aufgelegt. Ab 2020 soll die internationale Gemeinschaft 200 Milliarden pro Jahr in diesen Topf einzahlen. Bis jetzt gibt es Zusagen von 37 Milliarden. Woher soll das Geld für die Ärmsten der Armen kommen, wenn nicht von der Rüstung?

Abrüstung ist also die weltpolitische Herausforderung. Mit dem Aufruf „abrüsten statt aufrüsten“ wollen wir einen kleinen Beitrag zur Sensibilisierung für die Notwendigkeit weltweiter Abrüstung und „bei uns anfangen“ leisten.

Abrüstung ist aber nicht nur aus finanziellen Gründen ein absolutes Gebot.

Dieser Planet mit seinen begrenzten Ressourcen kann nicht unbegrenzt Ressourcen für die Rüstung verschwenden. Jeder Panzer, jedes Flugzeug, jede Granate verschlingt materielle Ressourcen, die wir dringend brauchen, die Grundbedürfnisse zu befriedigen, die wir aber überall auch einsparen müssen, wenn wir ein nachhaltiges Leben auf diesem Planten auch für die nächsten Generationen sichern wollen. Es geht nicht nur um materielle, es geht auch um „humane“ Ressourcen. Wir brauchen mehr LehrerInnen und ErzieherInnen, mehr AltenpflegerInnen und medizinisches Personal und weniger Offiziere und SoldatInnen, die töten und zerstören.

Wir brauchen Abrüstung auch, weil sich eine friedliche Philosophie durchsetzen muss. Abrüstung bedingt Kooperation, Dialog und Gemeinsamkeit mit dem „potentiellen Gegner ja Feind“. Aufrüstung bedingt Konfrontation (heute aktuell und besonders mit Rußland), Feindbilder, Hass, Rassismus und Gewalt. Gemeinsame Sicherheit heißt immer auch die Sicherheit des anderen berücksichtigen und mit einzubeziehen, immer zu wissen nur wenn die Sicherheit des anderen auch gegeben ist, ist auch meine Sicherheit möglich. Diese gemeinsame Sicherheit bedingt und ermöglicht Abrüstung. Es wird doch keiner glauben, dass Abrüstung bei einer Konfrontation mit dem anderen möglich ist. Unser historisch so geprägtes Verhältnis zu Russland muss sich dieser Verantwortung stellen: Entspannung, Freundschaft, Kooperation und Abrüstung müssen es prägen.

Eine Überwindung oder ein Austritt aus dem größten Militärbündnis ist nur in einem Klima der Kooperation und des Verständnisses möglich. Eine Reformpolitik, die diesen Namen verdient und keine neoliberale Umverteilung a la Schröder und Fischer ist, ist in einem Klima der Konfrontation und Hochrüstung kaum realisierbar

Abrüstung ist damit auch immer ein Teil der Philosophie für eine gemeinsame, gerecht Welt. Abrüstung ist immer ein Sieg der Vernunft und der Humanität über den Aberglauben an Sieg und Krieg.

Abrüstung und weitere antimilitaristische Schritte zu einer Welt ohne Militärblöcke und Krieg wird es nur durch das aktive Handeln der Menschen – von vielen Menschen – gegen die Interessen von wenigen wirtschaftlichen und politischen Rüstungsprofiteuren geben.

Zu diesem Handeln will der Aufruf „abrüsten statt aufrüsten“ einen kleinen Beitrag leisten. „Glaube keiner, dass das individuelle Engagement eines jeden, umsonst ist, es bewegt“, hat uns der zweifache Nobelpreisträger Linus Pauling für Frieden und Chemie immer wieder als Handlungsmaxime aufgetragen.

Die Herausforderungen für den Frieden in unterschiedlichen geschichtlichen Epochen annehmen, das ist doch eine der großen Traditionslinien der DKP. Um es aus meiner Sicht deutlich zu sagen: Die Friedensbewegung der 80er Jahre wäre undenkbar gewesen, ohne die aktive, vorwärtsweisende und einigen Rolle der DKP, von tausenden von Kommunistinnen und Kommunisten. Sie waren ein Motor für die Größe und den Erfolg der Bewegung.

Wie die Friedensbewegung, deren heutiger Zustand nicht zufrieden stellen kann, so kann und muß meiner Meinung nach auch die DKP noch eine Schippe zu legen, wenn wir den Frieden ernst und in unsere Hände nehmen wollen, wenn wir den Kriegsreibern erfolgreich in die Arme fallenwollen. Euer Beschluss 30.000 Unterschriften zu sammeln ist deswegen für mich ein ermutigendes und optimistisch stimmendes Zeichen.

Ohne einheitliche und massive Friedensbewegung wird es keine Abrüstung geben. Da haben wir noch eine große Aufgabe vor uns: Spaltungen müssen endgültig überwunden werden, die Straßen und zwar in ihrer ganzen Breite und nicht nur der Fußweg müssen wieder unser werden, wir müssen wieder hin zu den Menschen. Lasst es mich auch deutlich sagen; Spaltungen und Diffamierungen gegen die Friedensbewegung unterwelcher Flagge sie auch vorgenommen werden gibt es seit es diese gibt. Wir überwinden unsere Meinungsverschiedenheiten in Solidarität

Nein, wir können mit dem Zustand der Friedensbewegung nichtzufrieden sein, es gibt aber durchaus auch positive Anzeichen. Ihr werdet euch nicht wundern, wenn ich sage, gerade die Protestaktionen gegen die Airbase Ramstein sind ein ermutigendes Zeichen, auch und gerade von jungen Menschen, die Ostermärsche 2018werdeneshoffentlich sein
Und wir müssen auch wieder nach Berlin – mit großen Aktionen.

Mag der Aufruf „abrüsten statt aufrüsten“ einen Beitrag zur Mobilisierung und zur Aufmunterung, zu mehr Engagement leisten. Knapp 30.000Unterschriften sind ein nicht schlechter Beginn, aber auch nicht mehr.

Wir treffen uns auf den Straßen und Plätzen, in Ramstein im Juno, bei den Ostermärschen.
Frieden ist nicht alles, aber alles ist nichts ohne Frieden

Quelle:

news.dkp.de

 

22. Parteitag der DKP