Nicht in unserem Namen

Der Schritt zum Krieg bedeutet oft nur einen winzigen Moment. In fast allen Fällen steht am Beginn eines Krieges eine Lüge.

Die Raketenangriffe der USA, Britanniens und Frankreichs geschahen zwar mitten in einem bereits seit sieben Jahren tobenden Krieg, bargen aber in sich die Gefahr des Beginns eines neuen, viel größeren Krieges. Der wurde verhindert dank der Besonnenheit der russischen und syrischen Militärs, die ihre Verteidigung darauf beschränkten, einige der von den Aggressoren abgefeuerten Raketen unschädlich zu machen, nicht jedoch die angreifenden Flugzeuge oder die Kriegsschiffe zu bekämpfen, von denen die Raketen gestartet wurden. Man muß den Präsidenten der USA und Frankreichs sowie der britischen Premierministerin durchaus unterstellen, daß sie diese Gefahr kannten und bewußt in Kauf nahmen. Zudem muß man davon ausgehen, daß ihnen auch bewußt war, daß sie mit den Angriffen auf syrisches Territorium jegliches Völkerrecht verletzten.

Die Begründungen, die vor und nach den Attacken geliefert wurden, sind absolut haltlos. Deren Motive jedoch sind aus der Sicht der westlichen Staats- und Regierungschefs völlig klar. Nachdem die syrische Armee mit Unterstützung ihrer Verbündeten mit der Befreiung der östlichen Ghouta von islamistischen Terroristen ein weiteres wichtiges Gebiet, in diesem Fall unmittelbar vor den Grenzen der syrischen Hauptstadt, unter ihre Kontrolle bringen konnte, scheinen die westlichen Blütenträume von einem militärisch herbeigeführten »Regimewechsel« in Damaskus endgültig zu verdorren. Die Geschichte von einem Giftgasangriff der syrischen Truppen auf Douma sollte die Niederlage der Gotteskrieger noch ein wenig hinauszögern. Nachdem dies nicht gelang, erfand man entweder in London, in Paris oder in Washington die Lüge von einem syrischen Chemiewaffenprogramm und von Einrichtungen zur Herstellung von Chemiewaffen – ungeachtet der Tatsache, daß sämtliche Chemiewaffen Syriens unter internationaler Aufsicht bereits vor Jahren außer Landes gebracht und vernichtet worden waren.

Die von den Raketen zerstörten Ziele haben nichts mit geheimen chemischen Waffen zu tun – wäre das der Fall, dann würden die Trümmer der angeblichen Produktionsstätten eine ziemlich große Gefahr darstellen. Offenbar hat sich das in der Öffentlichkeit auch schon herumgesprochen, und so verbreitete man gestern noch rasch eine »Meldung«, laut der die Syrer und die Russen die Chemiewaffen-Inspektoren angeblich nicht nach Douma fahren lassen. In Wirklichkeit war die UNO der Meinung, daß die Fahrt nach Douma angesichts der westlichen Raketenangriffe eine Gefahr für das Leben der Inspektoren darstellen könnte.

Es ist eine Schande, daß die Mitgliedstaaten der NATO und der EU diese Angriffe durch offizielle Erklärungen unterstützen. Diese beiden Organisationen haben damit ein weiteres Mal jegliches Recht verwirkt, sich als Institutionen des Friedens aufzuspielen.

Als einzige konsequente Friedenspartei hat in Luxemburg die KPL auf ihrer Landeskonferenz am Sonntag in einer Resolution die Angriffe auf Syrien eindeutig verurteilt. Die luxemburgische Regierung wird aufgefordert, sich in den Gremien der NATO, der EU und der UNO von diesen Angriffen zu distanzieren und zu erklären, daß sie nicht im Namen des luxemburgischen Volkes stattfanden.

Der Schritt zum Krieg bedeutet oft nur einen winzigen Moment.

Uli Brockmeyer

Quelle:

Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek