Über demokratische Wahlen

Als einige Zeit nach der gewaltsamen Eroberung des Irak im Jahre 2003 die US-amerikanische Besatzungsmacht Wahlen im Irak inszenierte, kursierte ein – zugegeben nicht besonders guter – Witz, laut dem die USA im besetzten Land demokratische Wahlen ausprobieren wollten, und für den Fall, daß es klappt, sie es dann auch im eigenen Land versuchen würden… Jeder weiß, wie das ausgegangen ist, und auch, daß die Wahlen in den USA weiterhin jegliche demokratische Prinzipien vermissen lassen.

Die Präsidentenwahl in Venezuela sei »intransparent und unglaubwürdig« verlaufen, sagte die für die Außenpolitik der Europäischen Union zuständige Vizepräsidentin Federica Mogherini. »Das waren nicht die freien, fairen und transparenten Wahlen, die das venezolanische Volk verdient hat«, sekundierte der deutsche Außenminister. Angesichts der oft monatelangen Mauscheleien hinter verschlossenen Türen in EU-Ländern zur Bildung von Regierungen, bei denen das tatsächliche Wahlergebnis keine wesentliche, die Interessen der herrschenden Klasse dafür eine umso größere Rolle spielen, sind diese Einschätzungen wenig »transparent und glaubwürdig«, und schon gar nicht »fair«.

Daß es ihnen nicht um eine realistische Bewertung eines politischen Prozesses geht, wird allein dadurch deutlich, daß die USA, die EU und mehrere Regierungen Lateinamerikas bereits vor der Wahl angekündigt hatten, die Wahlergebnisse auf keinen Fall anerkennen zu wollen. Im NATO-Land Kanada wurde es den Bürgern Venezuelas sogar untersagt, in der Botschaft und in den Konsulaten ihrem demokratisch legitimierten Wahlrecht nachzukommen.

Vierzehn Regierungen lateinamerikanischer Staaten erklärten unmittelbar nach der Wahl in einem offensichtlich von langer Hand vorbereiteten Papier, ihre Botschafter zu Konsultationen nach Hause zurückzurufen und ihre diplomatischen Beziehungen mit Caracas auf diese Weise herabzustufen – ein in Lateinamerika bisher nur gegen Kuba angewandtes Vorgehen. Unter den Ländern dieser sogenannten Lima-Gruppe – deren Regierungen allesamt treue Vasallen Washingtons sind – finden wir Kolumbien, wo es der früheren Guerrilla und heutigen linken Oppositionspartei FARC trotz offiziellen Friedensschlusses unmöglich gemacht wird, zu fairen Bedingen an den Wahlen am kommenden Sonntag teilzunehmen. Oder Brasilien, wo der nach dem politischen Putsch im vergangenen Jahr amtierende Präsident nur auf einstellige Unterstützungswerte zählen kann und der aussichtsreichste Kandidat für die Präsidentenwahl unter fadenscheinigen Begründungen ins Gefängnis geschickt wurde.

Zur Lima-Gruppe gehört auch Honduras, wo seit dem Putsch gegen den Präsidenten Zelaya im Juni 2009 keine unmanipulierten Wahlen mehr stattfanden. Und Guatemala und Paraguay, die derartig USA-hörig sind, daß sie als einzige Staaten außer den USA ihre Botschaft in Jerusalem installiert haben und so die ohnehin gefährliche Lage im Nahen Osten vorsätzlich weiter anheizen.

Nein, auch die jüngste Wahl in Venezuela entsprach nicht den Idealen einer bürgerlichen, schon gar nicht einer sozialistischen Demokratie, aber es bleibt festzuhalten, daß der Präsident mit einem deutlich höheren Prozentsatz an Stimmen gewählt wurde als alle USA-Präsidenten der letzten mindestens 50 Jahre. Nun aber kommt es darauf an, dem deutlich geäußerten Wählerwillen zu entsprechen. Die Kommunisten Venezuelas haben das klar formuliert: »Jetzt ist nicht die Zeit zum Feiern, sondern zum Regieren«. Richtig! Es ist höchste Zeit für eine Korrektur der bisherigen Politik.

Uli Brockmeyer

Quelle:

Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek