Schließen sich Demokratie und Wirtschaft zwangsläufig aus?

Diese Woche kündigte die Holding Encevo, die sich vornehmlich aus dem Energieversorger Enovos und dem Netzbetreiber Creos zusammensetzt, einen Nettogewinn von 55,7 Millionen Euro an. Erfreulich ist auch, dass knapp 200 Millionen Euro Investitionen getätigt wurden, und dass die Ausgaben für die Erneuerung und Modernisierung der Strom- und Gastnetze auch in Zukunft hoch bleiben sollen.

Das trotz Sonderrückstellungen und Sonderabschreibungen ausgezeichnete Resultat veranlasste den Verwaltungsrat der Holding, einen größeren Teil des Nettoprofits – 24,5 von 55,7 Millionen Euro – an Dividende für die Aktionäre auszuschütten.

Im Falle der Encevo werden drei Viertel der Dividende, die zur Hälfte steuerfrei sind, an den Staat und öffentliche Betriebe gehen. Auch das ist positiv und unterstreicht, dass Unternehmen keineswegs von privaten Kapitalisten geführt werden müssen, um Gewinn abwerfen zu können. Richtig ist auch, dass es während der vergangenen Jahre verstärkt Bemühungen gab, die öffentliche Hand im Energiesektor zu stärken.

Doch genügt das, oder wäre es nicht vorteilhafter für das Land und seine schaffende Bevölkerung, wenn die öffentliche Hand systematisch strategisch wichtige Betriebe und Wirtschaftszweige unter ihre Kontrolle bringen würde? Was vor wenigen Jahren mit ArcelorMittal Schifflingen geschah und gegenwärtig mit ArcelorMittal Düdelingen passiert, sind zwei Beispiele dafür, welche negativen Folgen es haben kann, wenn ein Kapitalist auf der Jagd nach Maximalprofiten Entscheidungen fällt, welche den Interessen Beschäftigten diametral entgegengesetzt sind, und der Staat ihn gewähren lässt.

Um dem in Zukunft vorzubeugen und zu verhindern, dass die Schaffenden Spielball des international agierenden Kapitals bleiben, drängt sich eine Verstaatlichung von strategisch wichtigen Großbetrieben und Banken und die Schaffung eines staatlichen Beteiligungsfonds auf, in welchem diese Betriebe und staatlichen Beteiligungen gebündelt werden. Ein solcher Fonds mit einem beachtlichen Bilanzvermögen wäre ein wichtiges Instrument, um Wirtschaftsaktivitäten zu steuern, Investitionen vorzunehmen und Arbeitsplätze zu schaffen.

Doch würde man es dabei belassen, würde man auf halbem Wege stehen bleiben. Deshalb fordert die KPL eben nicht nur die Verstaatlichung von wichtigen Großbetrieben und Banken und die Schaffung eines staatlichen Beteiligungsfonds, sondern deren Vergesellschaftung. Das würde – zusätzlich zur Verstaatlichung – eine demokratische Planung und eine demokratische Kontrolle der verstaatlichen Betriebe und der staatlichen Beteiligungen an privaten Industrie- und Dienstleistungsbetrieben durch die Beschäftigten und deren gewählte Personalvertreter bedeuten.

Die Regierung und deren Vertreter in den Verwaltungsräten sind vielleicht nicht auf Maximalprofite aus, wie das für den privaten Kapitalisten zutrifft, aber sie lassen in der Regel das Management nach kapitalistischen Regeln wirtschaften und haben keineswegs die gleichen Interessen wie die Beschäftigten. Weshalb die Kommunisten der Ansicht sind, dass die Belegschaftsvertreter mit einem Vetorecht ausgestattet werden müssten, um zu verhindern, dass strategische Entscheidungen gegen die Interessen der Schaffenden durchgesetzt werden können.

Für »staatstragende« Kreise mag das klingen wie »Diktatur des Proletariats«, aber demokratisch wäre es allemal. Und wer sagt, dass Demokratie und Wirtschaft sich zwangsläufig ausschließen?

Ali Ruckert

Quelle:

Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek