Noch eine Schmierenkomödie

Ukraine

Es gibt Kriminalgeschichten, die kann man gar nicht aufschreiben, weil sie weder einen sinnvollen Anfang noch ein glaubhaftes Ende haben. Es sind aber Geschichten, die man in alle Welt hinausposaunen kann, mit dem nötigen Nachdruck der »Qualitätsmedien« und Zitaten von Politikern, die ihre Empörung in die Mikrofone heucheln. Das geht reibungslos, wenn der Angeklagte Rußland heißt.

Ein Giftmord: Ein Offizier des russischen Geheimdienstes kungelt mit westlichen Geheimdiensten, wird erwischt, vor Gericht gestellt, verurteilt. Dann darf er im Rahmen eines Agentenaustausches nach England ausreisen. Jahre später kommt Putin auf die Idee, den Mann in seinem Exil umbringen zu lassen. Das Motiv spielt keine Rolle, denn es gibt keins. Also schickt man einen Spezialisten, der dem Verräter ein hochgefährliches Gift an die Türklinke schmiert – aus sowjetischer Produktion, damit keine Irrtümer aufkommen. Das Opfer und seine Tochter werden auf einer Parkbank gefunden, die man Tage später abbaut. Nachdem tagelang englische Bobbies direkt an der Haustür des Opfers Wache geschoben hatten, wird bekanntgegeben, daß die Türklinke mit der höchsten Konzentration des tödlichen Gifts kontaminiert war. Beide Opfer überleben, werden aber nicht der Öffentlichkeit präsentiert, sondern versteckt. Die »Ermittlungen« laufen, ein Ergebnis ist kaum zu erwarten, denn es steht ja fest, daß es die Russen waren.

Mordanschlag: Ein russischer Soldat mutiert zum »Journalisten«, findet heraus, daß es lukrativ ist, statt für Mütterchen Rußland lieber für die Ukraine zu arbeiten. Er zieht nach Kiew und gründet einen Blog, von dem er behauptet, daß ihn 190.000 Leute abonniert haben. Der russische Geheimdienst ist starr vor Angst, daß von den 145 Millionen Russen demnächst vielleicht 191.000 den Blog lesen könnten, und schmiedet einen Mordplan. Man schickt nicht etwa einen eigenen Agenten nach Kiew, sondern man kauft für schlappe 30.000 Dollar einen ukrainischen Auftragsmörder. Damit der seine Zielperson auch erkennt – denn er gehört nicht zu den Blog-Abonnenten – gibt man ihm ein Paßfoto, über das nur die russischen Behörden und der Paßinhaber verfügen.

Der ukrainische Geheimdienst kann die dummen Russen überlisten, täuscht einen brutalen Mord an dem tapferen »Kreml-Kritiker« vor, um so an den Auftragsmörder zu kommen. Der wird in einer »Geheimoperation« vor laufender Kamera verhaftet. Gleichzeitig gibt der Chef des ukrainischen Geheimdienstes vor der Presse Ergebnisse des Verhörs bekannt, das gerade begonnen hat, und präsentiert den »Ermordeten« putzlebendig vor der Weltöffentlichkeit. Der mutige »Journalist« will nun übrigens eine Wiederholung des Attentats verhindern, und damit er nicht wieder aufgrund eines russischen Paßfotos erkannt wird, nimmt er die ukrainische Staatsbürgerschaft an…

Kein ernst zu nehmender Verlag der Welt würde diese Stories drucken, aber sie erfüllen dennoch ihren Zweck, nämlich wenige Tage vor der Fußball-WM den Russen nochmal so richtig eins reinzudrücken. Und das mit Hilfe ukrainischer Geheimagenten, die sich vor wenigen Wochen mit Ruhm bekleckerten, als sie die Türen von Büros der Kommunistischen Partei der Ukraine eintraten, die Schränke durchwühlten und Grußkarten zum »1. Mai – Internationaler Feiertag der Arbeiterklasse« als »Terrorpropaganda« konfiszierten.

Herzlichen Glückwunsch allen, die mit solchen Leuten verbündet sind!

Uli Brockmeyer

Quelle:

Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek