Dialog statt Feindbildaufbau

Wenn von der Begegnung der Präsidenten Rußlands und der USA am Montag in Helsinki ein Wort der Beschreibung in die Geschichtsbücher eingehen soll, dann fällt die Wahl bei den politischen Beobachtern beiderseits des Atlantik auf sehr unterschiedliche Begriffe. Die »Falken« in den USA, in der NATO und auch in der EU sind sauer auf den Herrn aus dem Weißen Haus, weil er nicht – wie von ihnen sehnlichst gewünscht – in der für Trump typischen Art rüde Schimpftiraden auf den Kremlchef losgelassen hat. Andere, besonnenere Beobachter sind eher erfreut darüber, daß das Gespräch überhaupt zustande gekommen ist und daß man sich eben nicht öffentlich die unterschiedlichen Standpunkte um die Ohren gehauen hat.

Tatsächlich liegt der Wert der Begegnung genau darin, daß es einen Dialog gegeben hat, bei dem sich beide Staatspräsidenten trotz unterschiedlicher Körpergröße auf Augenhöhe getroffen haben. Es liegt der Redaktion dieser Zeitung fern, den USA-Präsidenten zu verteidigen oder gar zu loben, aber offenbar hatte Trump in Helsinki einige seiner lichten Momente, in denen sein Geschäftssinn die Oberhand gewann gegen den Drang, einen tatsächlichen oder vermeintlichen Gegner niederzumachen.

Es ist absolut nicht auszuschließen, daß der gewiefte Großunternehmer Donald Trump völlig richtig erkannt hat, daß die USA bei einer weiteren Verschärfung der Konfrontation mit Rußland eher verlieren würden, was seiner »America first«-Linie zuwider laufen würde. Die Konflikte, an denen sich andere reiben, vor allem höhere NATO- und EU-Kreise, sind offenbar in seinen Augen nicht so wichtig, als daß sich man ihretwegen prügeln müßte. Beim Krieg in Syrien ist für die USA nicht mehr viel herauszuholen, man hat sich in der Region längst seine Partner gesichert. Der Krieg in der Ostukraine ist aus Washingtoner Sicht nur ein Nebenschauplatz, der Geld kostet und nichts einbringt. Das betrifft auch die Krim. Also muß man sich irgendwie arrangieren und dabei die größeren Ziele im Auge behalten, nämlich die schier unbegrenzten Möglichkeiten für Profite im Handel und bei Investitionen.

Mit der EU ist das nicht so einfach zu lösen. Es sei daran erinnert, daß diese EU ihrerseits den USA auf wirtschaftlicher Ebene den Krieg erklärt hat, als sie seinerzeit bei der Formulierung der Lissabon-Strategie postulierte, die größte Wirtschaftsmacht der Welt werden zu wollen. Es wäre naiv, zu erwarten, dafür von den USA unter Trump belohnt zu werden. Und es ist ebenso naiv, wegen einer angeblichen Einmischung Rußlands in den USA-Wahlkampf eine neue Eskalation herbeizuwünschen. Selbst wenn Rußland moderne Mittel der Kommunikation benutzt haben sollte, um bestimmte Meinungen in den USA publik zu machen, dürfte das kaum den Ausgang der Wahlen bestimmt haben. Zudem ist es im Westen seit Beginn des Kalten Krieges üblich, sich nicht nur mit geheimdienstlichen Methoden, sondern auch per Radio und TV in die Angelegenheiten anderer Länder massiv einzumischen. Einige Sender wurden speziell dafür geschaffen und technisch hochgerüstet, wie Radio Luxemburg, Radio Free Europe, oder Radio Martí…

Kritiker von Trumps Gespräch mit Putin werfen ihm im Grunde nichts anderes vor, als daß er dazu beigetragen hat, das uralte »Feindbild Rußland« ein klein wenig abzutragen. Wenn das wirklich gelungen sein sollte, und wenn die »Falken« beiderseits des Atlantik das nicht wieder zunichte machen, dann hatte das Treffen von Helsinki allein deswegen einen Sinn.

Uli Brockmeyer

Quelle:

Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek