Kein bisschen leise

Anne Rieger zu 200 Jahre Marx

Das reichste Prozent der Bevölkerung besitzt 40 Prozent des privaten Vermögens in Österreich. Weltweit verfügen die reichsten acht Männer der Welt über ein Vermögen von 429 Milliarden US-Dollar – mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung. Gesunder Menschenverstand und Alltagswissen reicht nicht aus, um diese Ungeheuerlichkeit zu verstehen. Wir benötigen ein wissenschaftliches Werkzeug, um heraus zu finden, warum Piech & Porsche 35 Mrd. Euro oder Mateschitz neun Mrd. Euro Vermögen besitzen, während andere wöchentlich 40 Stunden arbeiten und oft kaum die Miete bezahlen können.

Karl Marx hat eine Analysemethode erarbeitet, die seit knapp 200 Jahren erklärt, warum das so ist und die Kluft immer tiefer wird. Mit dem Werkzeug „Politische Ökonomie“ können wir die Art und Weise (Produktionsweise) sowie Struktur der kapitalistischen Gesellschaft durchschauen. Wir erkennen, dass der den Lohn übersteigenden Wert des Produkts (Mehrwert), den sich die Kapitalisten aus der Arbeit der Lohnabhängigen aneignen, die Quelle ihres Profits und damit Reichtums ist. Selbst wenn sie KV-Lohn zahlen, ist das kein angemessener oder gerechter Lohn. Sie zahlen gerade so viel, dass die Menschen davon leben und sich manchmal das eine oder andere zusätzlich leisten können.

Marx hat uns darüber hinaus eine Strategieempfehlung für Schritte an die Hand gegeben, um diese Ungerechtigkeit zu ändern. Er hat die Entwicklungsgesetze der Gesellschaft untersucht und entdeckt, dass es Klassen im Kapitalismus gibt. Den einen gehören alle Maschinen, Anlagen, Transportmittel, Grund und Boden, die Produktionsmittel also. Die anderen müssen damit oder daran arbeiten, weil sie sonst nicht überleben können. Eigene Produktionsmittel haben sie nicht.

Die Interessenlage dieser beiden Klassen ist gegensätzlich und unüberbrückbar, solange das Eigentum an Produktionsmitteln in den Händen weniger ist. Und jeder Euro kann nur dem einen oder dem anderen gehören und von ihm verwendet werden. Das System ist unmenschlich: Weltweit leben beinahe 1,5 Milliarden Menschen in absoluter Armut. Über fünf Millionen Kinder sterben jährlich an Unterernährung, obwohl die Landwirtschaft global längst mehr als uns zehn Milliarden Menschen versorgen könnte.

Um Gerechtigkeit herzustellen, ist dieser ökonomischen Gewaltherrschaft mit Reformen allein nicht beizukommen. Marx hat sein ganzes Leben geforscht, interpretiert, erklärt was Kapitalismus ist und wie es zu ihm kam. Er wollte darüber hinaus diesen barbarischen Kapitalismus zerstören, der, so Marx, wie der heidnische Götze, den Nektar aus den Schädeln der Erschlagenen trinkt. Er wollte auf der alten eine neue humane Gesellschaftsformation aufbauen, in der die Menschen im Mittelpunkt stehen, nicht der Profit.

Mehr denn je darf es nicht beim Zuschauen, Interpretieren und Reformieren bleiben. Es braucht aktives, praktisches Wirken zur Durchsetzung unserer eigenen Interessen, eben den Kampf gegen die Zumutungen von Industriellenvereinigung, Wirtschaftskammer und ihren Regierungen. Im ersten Schritt steht das Gefecht um den Erhalt unserer Sozialversicherungen, für höhere Löhne und Gehälter und lebenswürdige Mindestsicherung und Notstandshilfe für alle, die sie brauchen. Nicht Sozialpartnerschaft ist angesagt, sondern gemeinsamer Aufstand der arbeitenden Menschen für eine bessere, eine menschliche Welt für die Mehrheit der Menschen, für unsere Klasse.

Anne Rieger ist Mitglied im Landesvorstand und erweiterten Bundesvorstand des GLB

Quelle:

Gewerkschaftlicher Linksblock (GLB)