Die gleichen Lügen

Luxemburgs Regierungschef Xavier Bettel ist auf Wahlkampftour. Nicht etwa in den sozialen Brennpunkten im Süden des Landes, in der Region mit der höchsten Jugend-Arbeitslosigkeit, der größten Wohnungsnot und der höchsten Zahl derjenigen Lohnabhängigen, die für den Mindestlohn schuften. Er stellt sich nicht etwa den Fragen nach einer dringend notwendigen Erhöhung des Mindestlohns um 20 Prozent, wie von der Salariatskammer errechnet und von den Kommunisten in ihrem Wahlprogramm gefordert, oder nach der Notwendigkeit der Errichtung von neuen, bezahlbaren Wohnungen. Nein, Herr Bettel macht Wahlkampf im fernen Südkorea. Denn der Chef der Regierungskoalition aus »Demokraten«, »Sozialisten« und »Grünen« ist weniger an der Lösung der sozialen Probleme der Luxemburger interessiert als daran, finanzkräftige südkoreanische Unternehmen ins EU-Steuerparadies Luxemburg zu holen.

Zu Anfang seines Besuches widmete sich der Handelsreisende der Geschichte. Der mitreisende Berichterstatter des »Tageblatt« beschreibt diensteifrig, wie sein Premierminister beim »Kriegsdenkmal von Korea« (gemeint ist allerdings Südkorea) der Helden des Koreakrieges 1951 bis 1953 gedenkt und offenbar mit einem Anflug von Nationalstolz darauf verweist, daß in diesem Krieg »auch zwei Luxemburger ihr Leben ließen«. Und es darf auch der Hinweis nicht fehlen, daß »wir« im Verhältnis zur Bevölkerungszahl »ein sehr wichtiges Kontingent« waren. Tatsächlich waren 85 Luxemburger an dem Krieg der USA in Korea beteiligt, und auf der entsprechenden Stele am Kriegsdenkmal ist zu lesen, daß 17 von ihnen verwundet wurden und zwei Luxemburger Soldaten starben – »Killed in Action«, heißt es da im US-amerikanischen Militärenglisch. Über die Notwendigkeit, den seit 1953 herrschenden Waffenstillstand durch einen Friedensvertrag zu ersetzen, war in dem Bericht nichts zu lesen.

Die Luxemburger seien »im Rahmen der UN-Mission« im Koreakrieg eingesetzt worden, heißt es im »Tageblatt«, und hätten »für die Freiheit der Koreaner gekämpft«. Zwei Lügen, die zweite noch bösartiger als die erste. Denn es handelte sich keineswegs um eine »UN-Mission«, sondern schlicht um einen Krieg der USA mit Unterstützung der Armee ihres südkoreanischen Marionettenregimes, für den ein mit diplomatischen Tricks erhaltenes Mandat der UNO ausgenutzt wurde. Deklariertes Ziel war die »Eindämmung des Kommunismus«, es war ein Krieg gegen die Koreanische Demokratische Volksrepublik, auch als Drohkulisse gegen die Volksrepublik China gedacht. Mit der »Freiheit der Koreaner« hatte das nichts zu tun, denn bereits vor diesem Krieg waren Zehntausende Südkoreaner von den US-amerikanischen Besatzern und ihren südkoreanischen Hilfstruppen in Gefängnisse gesteckt und viele von ihnen umgebracht worden, weil sie für eine wirkliche Freiheit, ein selbstbestimmtes Leben des koreanischen Volkes ohne Besatzer eintraten.

Es ist alles andere als ein Ruhmesblatt, daß sich Luxemburg an diesen schmutzigen Krieg beteiligte, in dessen Verlauf die nordkoreanische Hauptstadt Pjöngjang und viele andere Städte und Dörfer fast vollständig in Schutt und Asche bombardiert wurden und der US-amerikanische General MacArthur offen mit dem Einsatz von Atombomben drohte. Allerdings wurden die jungen Soldaten aus dem Großherzogtum schon damals mit den gleichen Lügen an die Front geschickt wie deren Enkel heute an die Ostflanke der NATO, unmittelbar an der Grenze zu Rußland. Damals wie heute zur »Verteidigung der Freiheit«…

Uli Brockmeyer

Quelle:

Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek