Eine »chilenische Lösung« für Venezuela?

Viele Zeitungsseiten und Sendeminuten widmen die westlichen Konzernmedien in diesen Tagen dem Thema »Nine-Eleven«. Ein anderer 11. September kommt deutlich seltener vor: Am 11. September 1973 putschten in Chile von der CIA angeleitete Generäle gegen die demokratisch gewählte Regierung von Präsident Salvador Allende. Die folgende Diktatur ließ Tausende Sozialisten, Kommunisten und andere Demokraten foltern und ermorden und machte aus dem Land bis 1990 ein Experimentierfeld für einen neoliberalen Umbau der Wirtschaft und die Zerstörung der sozialen Errungenschaften der Schaffenden. Nun drohen die USA immer unverhohlener mit einer direkten Invasion Venezuelas.Im Mai berichtete Präsident Nicolás Maduro, hochrangige USA-Diplomaten hätten sich an einer Verschwörung gegen sein Land beteiligt. Maduros Anklagen wurden von der Washingtoner Regierung genauso ignoriert, wie von den USA-Konzernmedien. Bis zum 9. September, als die »New York Times« titelte: »Trump-Administration besprach Putschpläne mit aufständischen venezolanischen Offizieren«

Die Zeitung brachte die Story nicht etwa, um die Venezolaner vor dem USA-Imperialismus zu warnen, sondern um Maduros Regierung, die als ernste Gefahr für die strategischen Interessen der USA beschrieben wird, ein weiteres Mal an den Pranger zu stellen. Immer wieder wird in dem Artikel so getan, als sei allein Maduro für die schweren ökonomischen Probleme im Land verantwortlich, die ökonomische Sabotage der USA und EU-Europas wird indes an keiner Stelle erwähnt.

Doch der Ökonom Mark Weisbrot von der linksliberalen Washingtoner Denkfabrik Center for Economic and Policy Research hat wenige Tage nach Erscheinen des Artikels nachgetragen, was darin verschwiegen wurde: Der Wirtschaftskrieg der USA habe die Krise in Venezuela in erster Linie verursacht. Washington habe bereits im Frühjahr vergangenen Jahres Handelssanktionen gegen das Land verhängt und staatliche venezolanische Bankeinlagen in Milliardenhöhe in den USA blockiert.

Selbst wenn es gelänge, die Wechselkurse des Bolívar zu stabilisieren und das zur Finanzierung diverser Sozialprogramme dringend benötigte Wirtschaftswachstum wieder anzukurbeln, so Weisbrot, wäre die Bolivarische Regierung wegen Trumps jüngster Executive Order weiter von Krediten und Direktinvestitionen aus dem Ausland sowie von Dividenden der US-amerikanischen Filiale der staatlichen Erdölgesellschaft PDVSA abgeschnitten. Das Kronjuwel unter den Auslandsdirektinvestitionen Venezuelas verfügt in den USA mit drei großen Raffinerien, Dutzenden Verladeterminals und mehr als 5.000 Tankstellen über Vermögenswerte von gut acht Milliarden US-Dollar.

Wie ihre US-amerikanischen Hintermänner hassen die venezolanischen Oligarchen den ehemaligen Busfahrer Maduro, so wie sie seinen Amtsvorgänger Hugo Chávez gehaßt haben, weil er sich auf die Seite der Armen und Unterdrückten gestellt hat. Nachdem sich die rechten Oppositionsparteien in großen Teilen des venezolanischen Volkes diskreditiert haben, scheinen die USA längst eine direktere Intervention in Betracht zu ziehen. Der »New York Times« zufolge haben sich hochrangige USA-Diplomaten in den vergangenen zwei Jahren wiederholt mit eidbrüchigen Offizieren der venezolanischen Armee getroffen, um die Erfolgsaussichten eines von den USA mehr oder weniger offen unterstützten Militärputschs zu erörtern.

Auch wenn die Informationen über die jüngsten Destabilisierungspläne noch dürftig sind, zeigt die lange Liste der direkten USA-Interventionen der vergangenen zwei Jahrhunderte allein in ihrem »Hinterhof« Zentralamerika, was den Venezolanern offensichtlich droht: Haiti (ab 1804), Kuba, Nicaragua, Puerto Rico, Dominikanische Republik, Panama, Guatemala und Mexiko.

Oliver Wagner

Quelle:

Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek