Schwarzer (Frei)tag

Seit einigen Jahren bereits schwappt ein weiterer Konsumtrend aus den USA nach Europa: Der »Black Friday« (Schwarzer Freitag«). Rund um diesen Tag versuchen sich insbesondere Online-Versandhändler, aber auch der stationäre Handel, gegenseitig mit Sonderangeboten und Rabatten zu übertreffen.

Ein besonders aggressiver »Black Friday«-Vertreter ist in diesem Zusammenhang der Online-Versandhändler Amazon. Dessen Gründer und Boß, Jeff Bezos, wurde mit dem Unternehmen zum reichsten Menschen der Welt, mit einem geschätzten Vermögen von rund 150 Milliarden US-Dollar.

Während er sich an diesem »Black Friday« wieder die Hände reiben darf, dürfen die Angestellten in seinen Auslieferungslagern, die firmeneigenen Paketdienstfahrer aber auch die übrigen Angestellten privater Zustelldienste, die seine Waren zustellen, wieder für ihre mickrigen Löhne schwitzen. Die Vorweihnachtszeit hat schließlich begonnen und die Geschenkewelle rollt auf die Versandhändler zu.

Während für Bezos der Rubel rollt, kündigte er seinen Untergebenen, die er mit harter Hand regiert, direkt schon mal an, daß das Unternehmen eines Tages bankrott gehen werde, wenn die Angestellten nicht jeden Tag noch härter arbeite und den Kunden anstatt Betriebsinterna in den Mittelpunkt stelle.

Mit betriebsinterner Selbstbeschäftigung meint er vermutlich die Unzufriedenheit der Beschäftigten, die etwa in den USA nicht selten im eigenen Auto schlafen und von Almosen leben müssen, weil ihr »üppiger« Lohn ein Mindestmaß an Lebensqualität nicht erlaubt und die deshalb regelmäßig auf die Straße gehen für bessere Löhne Auch in. Europa streiten die Angestellten seit Jahren für bessere Arbeitsbedingungen und dementsprechende Löhne. Amazon ist aufgrund seines durchgetakteten Arbeitsprinzips dafür bekannt, einen hohen Krankenstand zu haben. Viele Beschäftigte halten dem Druck nicht lange stand und erkranken an muskulären, skelettären oder psychischen Krankheiten. Das »Standard Work«-System an den Standorten nimmt keine Rücksicht auf das Alter oder die körperliche Verfassung eines Menschen, es verlangt allen dieselbe Schlagzahl beim Kommissionieren der Bestellungen.

Amazon orientiert sich in Europa an den Löhnen der Logistikbranche, die noch niedriger sind als jene im Einzelhandel und verweigert sich Tarifvertragsverhandlungen. Amazon akzeptiert keine Gespräche mit den in den Betrieben demokratisch gewählten Ausschußleuten. Die Gewerkschaften werfen dem Unternehmen vor, den Konkurrenzkampf im Onlineversandgeschäft auf dem Rücken der Angestellten auszutragen. Und nicht nur auf jenem der Festangestellten: Amazon beschäftigt unzählige Zeitarbeiter und osteuropäische Tagelöhner in seinen Lagern.
Gleichzeitig kam dieser Tage die Nachricht, daß Bezos rund 100 Millionen US-Dollar an verschiedene Hilfsorganisationen für Obdachlose spendet. Welch noble Geste! Dieses, in den USA nicht unübliche Gebaren von milliardenschweren Konzernbossen, steht im krassen Gegensatz zum Umgang mit dem eigenen Personal, welches dieses Geld mit seinen Händen erwirtschaftet hat und, insbesondere in den USA, kaum besser lebt, als Obdachlose.

All diese Umstände sollten dem geneigten Kunden in der Vorweihnachtszeit im Hinterkopf bleiben, wenn er den »Bestellen«-Button anklickt. Für die Beschäftigten im Sektor ist jeder Tag ein »schwarzer« Tag.

Christoph Kühnemund

Quelle:

Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek