Der Putschpräsident der USA

Venezuelanalysis.com zur Lage in Venezuela

Oppositionsführer Juan Guaido erklärte sich am Mittwoch zum „Interimspräsidenten“ Venezuelas. Dieser Schritt wurde von den USA und ihren regionalen Verbündeten sofort anerkannt.

„Als Präsident der Nationalversammlung schwöre ich vor Gott und Venezuela, die Kompetenzen der nationalen Exekutive als Interimspräsident von Venezuela förmlich zu übernehmen“, sagte Guaido auf einer Kundgebung der Opposition in Caracas.

Guaido hatte bereits mehrfach angekündigt, er sei „bereit“, die Aufgaben der Exekutive zu übernehmen, da die USA erwogen hätten, ihn als „Interimspräsidenten“ anzuerkennen.

Die US-Regierung reagierte rasch, und Präsident Donald Trump, US-Außenminister Mike Pompeo und Senator Marco Rubio erkannten Guaido umgehend als Interimspräsident von Venezuela an.
„Ich werde weiterhin das volle Gewicht der wirtschaftlichen und diplomatischen Macht der Vereinigten Staaten nutzen, um auf die Wiederherstellung der venezolanischen Demokratie zu drängen“, sagte Trump in einer Stellungnahme.

Washingtons regionale Verbündete, darunter Kanada, Brasilien, Argentinien, Kolumbien und andere Mitglieder der sogenannten Lima-Gruppe, folgten rasch der US-Position und unterstützten den 35-jährigen Oppositionspolitiker Guaido. Die Lima-Gruppe war Anfang Januar mit einer Erklärung vorgeprescht, in der sie die zweite Amtszeit von Maduro nicht anerkannte.

Kuba und Bolivien haben ihre Unterstützung für Maduro erklärt, während Uruguay und die neue Regierung von Lopez Obrador in Mexiko es ablehnten, Guaido als Präsidenten anzuerkennen. Sie fordern einen Dialog, um „eine Eskalation der Gewalt zu vermeiden“. Russland und die Türkei gaben ebenfalls an, ihre Haltung zu Präsident Maduro sei unverändert.

In einem Kommunique kündigte die Europäische Union an, sie sei bereit, „die Wiederherstellung der Demokratie und der Rechtsstaatlichkeit in Venezuela […] im Einklang mit der venezolanischen Verfassung zu unterstützen“, erkannte Guaido als Präsidenten jedoch nicht an. Bisher hat nur Madrid eine Stellungnahme abgegeben, die es ablehnt, Guaido als Präsidenten anzuerkennen. Die spanische Regierung fordert eine gemeinsame Position der EU.

Die venezolanische Regierung verurteilte Guaidos Selbsternennung zum Übergangspräsidenten als einen von den USA angeführten „Putschversuch“. Diosdado Cabello, Vizevorsitzender der regierenden PSUV und Vorsitzender der Verfassungsgebenden Versammlung, forderte die Chavistas auf, vereint zu bleiben und Miraflores-Palast, der Sitz der venezolansichen Regierung ist, zu schützen.

Präsident Maduro wandte sich vom Balkon des Miraflores- Palast an das Volk: „Dieser Putschversuch, der im Land entfesselt wird, ist der dümmste Vorstoß des Imperialismus und seiner Lakaien in der venezolanischen Opposition“, sagte Maduro.

Der venezolanische Präsident gab auch bekannt, dass Venezuela alle Beziehungen zu den Vereinigten Staaten abbreche und dem diplomatischen Personal der USA 72 Stunden Zeit für die Ausreise gebe. Maduro forderte weiterhin maximale Mobilisierung, um den Frieden zu verteidigen, und den von ihm als „von den USA angeführten Putschversuch“ zu besiegen.

US-Außenminister Mike Pompeo antwortete dem venezolanischen Staatschef und weigerte sich, US-Diplomaten aus Venezuela abzuziehen, mit der Begründung, dass Maduro nicht „die rechtmäßige Befugnis habe, die diplomatischen Beziehungen mit den Vereinigten Staaten zu unterbrechen oder unsere Diplomaten als nicht grata zu erklären.“

Der venezolanische Verteidigungsminister Padrino Lopez gab ebenfalls eine Stellungnahme ab, in der er jeden Präsidenten, der „durch zwielichtige Interessen aufgezwungen und illegal deklariert“ sei, nicht anerkenne und schwor, dass die Streitkräfte die Souveränität und die Verfassung des Landes verteidigen würden. Guaido, andere Oppositionelle und US-Führer haben die Streitkräfte wiederholt aufgefordert, die Maduro-Regierung abzusetzen.

Eine vorübergehende Meuterei in der Nationalgarde wurde am Montag beendet. Maduro und Cabello forderten daraufhin die Einheit der Streitkräfte.

Es besteht Unklarheit über das, was folgt: Maduro verwies die Selbsternennung Guaidos an die Justizbehörden des Landes. Der Oberste Gerichtshof Venezuelas erklärte, dass die jüngsten Handlungen der Nationalversammlung „null und nichtig“ waren und sie sich außerhalb ihrer Zuständigkeit befinde, und forderte die Staatsanwaltschaft auf, die strafrechtlichen Konsequenzen zu ermitteln. Die Nationalversammlung hat gesetzgebende Funktion und wurde 2016 von den Justizbehörden für illegitim erklärt, weil sie eine gerichtliche Anordnung zur Entlassung von drei Abgeordneten wegen des Verdachts auf Wahlbetrug missachtet hat.

Die Nachrichtenagentur Reuters berichtete, dass die Trump-Regierung die Verhängung von Ölsanktionen gegen Venezuela bereits für diese Woche in Betracht zieht oder die Importe stark einschränken will, was der Maduro-Regierung eine entscheidende Einnahmequelle entziehen würde.

Der Chefökonom von Torino Capital, Francisco Rodriguez, der im vergangenen Jahr den unterlegenen Präsidentschaftskandidaten Henri Falcon beraten hatte, schrieb auf Twitter, dass die Anerkennung durch die Trump-Regierung es Guaido oder einer mutmaßlichen Übergangsregierung ermöglicht, sich auf US-amerikanischem Boden das Vermögen Venezuelas anzueignen. Das betrifft z.B. die Mittel der größten Tochtergesellschaft des staatlichen Ölkonzerns PDVSA, CITGO. Es könnte auch die venezolanische Regierung daran hindern, geliefertes Öl den Empfängern in Rechnung zu stellen.

Im ganzen Land und vor allem in Caracas fanden Demonstrationen für und gegen die Regierung statt. Es ist zudem der Jahrestag des Sturzes der Perez Jimenez-Diktatur, der am 23. Januar 1958 stattfand.

Die Proteste waren weitgehend friedlich, es gab aber Berichte über Zusammenstöße zwischen Anhängern der Opposition und Sicherheitskräften in Caracas. Oppositionsanhänger hatten versucht, eine Autobahn im Südwesten der Stadt zu blockieren. In den Bundesstaaten Cojedes und Monagas verurteilten Unterstützer der Regierung Brandanschläge gegen das örtliche PSUV-Hauptquartier bzw. ein Gebäude, in dem staatliche Sozialdienste untergebracht sind. Es gab auch Berichte über Todesfälle nach Zusammenstößen in Barinas und San Cristobal, die jedoch nicht bestätigt wurden.
Zum Zeitpunkt des Schreibens wurden im Osten von Caracas, in der Nähe des Flugplatzes La Carlota, Unruhen berichtet. Hier fanden 2017 „Guarimba“-Proteste statt. Angeblich brannten Barrikaden, ein Lastwagen soll entführt und der Flugplatz angegriffen worden sein, was zu mehreren Festnahmen führte. Auch in anderen venezolanischen Städten wurden Barrikaden errichtet.

Übersetzung: UZ

Quelle:

blog.unsere-zeit.de