Erklärung der KPÖ zum Regierungsprogramm von Türkis-Grün

Mit der Unterzeichnung des Regierungsprogramms ermöglichen die Grünen die Fortsetzung des bisherigen unsozialen, rassistischen Kurses von Türkis-Blau. Sozialökonomisch bilden der Fetisch des Nulldefizitis und die weitere Senkung der Staatsquote den Kern des Regierungspro­gramms, was auf der neoliberalen Linie aller heute im Parlament vertretenen Parteien liegt. Unter diesen Voraussetzungen ist es auch unrealistisch, die im Regierungsprogramm angekündigten anspruchsvollen Klimaziele zu verwirklichen.

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Die angepeilte Senkung der Staatsquote mittels Steuerpolitik begünstigt wie unter Türkis-Blau die Kapitalseite, die weitere Bereicherung der Vermögenden und forciert die Umverteilung der gesellschaftlich geschaffenen Werte von unten nach oben. Solange diese Orientierung vorherrscht und auch kein Wort von einer Vermögenssteuer oder Erbschaftssteuer im Koalitionsabkommen vorkommt, sind die Grenzen für das Ministerium für Umwelt, Energie und Infrastruktur, das mit Leonore Gewessler kompetent besetzt ist, eng gezogen, sind sozial-ökologische Pläne grundsätzlich in Frage gestellt. Außer Frage steht dagegen das Aufgehen »grüner« bzw. sozialer und ökologischer Anliegen im »Weiter so!« des neoliberalen Um- bzw. Abbaus des österreichischen Sozialstaats.

Sebastian Kurz und Werner Kogler sprechen von der Versöhnung des Ökonomischen mit den Ökologischen, die sich in der Regierungskoalition abbildet. Der Begriff des Ökonomischen steht in diesem Zusammenhang für die neoliberale Ökonomie; insofern ist es konsequent, wenn Kogler davon spricht, dass »marktwirtschaf­tliche Anreize« den »Einstieg in den Umstieg« begleiten sollen. Klimagerechtigkeit kann jedoch nur durch anderes Wirtschaften erreicht werden, das nicht dem Zwang der Profitmaximierung unterworfen ist. Das erfordert eine grundlegende gesellschaftspo­litische Umorientierung. Im Regierungsprogramm gibt es diesbezüglich keinerlei Ansätze dafür. Im Gegenteil: Bundeskanzler Kurz warnt in Davos davor, das Thema des Umweltschutzes zu missbrauchen, um »für alte kollektivistische Idee zu werben«; was Kurz damit meint, ist, das bestehende alte finanzmarktge­triebene System vor der europa- und weltweit zunehmenden sozialen Kritik zu schützen; deswegen propagiert er auch in internationalen Zusammenhängen die neue österreichischen Koalition von ÖVP und Grünen als nachahmenswertes Vorbild.

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Das Regierungsprogramm enthält kein Wort zum 12-Stunden-Tag, kein Wort zur de-facto-Machtübernahme der Kapitalseite im neuen Sozialversiche­rungssystem, kein Wort zur Reparatur des Sozialhilfege­setzes. Dafür Ankündigung einer Senkung der Körperschaftsste­uer, Salbungsvolles zugunsten »Standortstärkung«, Erhaltung der Wettbewerbsfähig­keit, Steuergeschenke an die Vermögenden im Ausmaß mehrerer Milliarden. In türkis-blauer Zeit wurde das soziale und politische Kräftverhältnis mit verschärftem Tempo zugunsten des Kapitals, zulasten der Bevölkerungsmeh­rheit verschoben. Diese Tendenz bleibt in der türkis-grünen Regierungskoalition unangetastet. Daran ändern die paar angekündigten sozialen Brösel nichts, denn es steht ihnen eine Reihe sozialer Grausamkeiten entgegen, eingebettet in Gleichgültigkeit gegenüber den Anliegen der Mehrheit der Menschen, die nicht in der Parallelwelt der Reichen leben.
Zu den allergrößten Enttäuschungen des von Kurz und Kogler vorgestellten Regierungsteams gehört es wohl, dass es in der türkis-grünen Bundesregierung kein eigenständiges Frauenministerium gibt, so als ob die Gleichberechtigung in Österreich bereits eine vollzogene Tatsache wäre. Frauenpolitik ist zu ausgrenzender Rhetorik verkommen.

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Auch die Migrationspolitik bleibt, was sie ist: von den österreichischen Neofaschisten geprägt und menschenrechtsfe­indlich. Auf der Agenda bleiben Abschiebezentren für die »Zurückstellung« von Menschen ohne Aufenthaltsbe­willigung, wie Bundeskanzler Kurz es ausdrückt, Sicherungshaft usw., das bekannte Programm. Es wird im Geiste Kickls fortgeführt, der nicht zu Unrecht das Copyright für die FPÖ reklamiert. Auch die Geheimdienste werden in der Hand der ÖVP, d. h. in der Hand einer Partei gehalten.
Das Bekenntnis zur Neutralität ist ein Lippenbekenntnis, weil gleichzeitig die Aufrüstungsprojekte der Europäischen Union gut geheißen werden.

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Die Enttäuschung vieler GrünwählerInnen über die Einbindung der Grünen in die Systemverwaltung, über den fortgesetztem Abbau des Sozialstaats ist begründet und berechtigt. Wir teilen ihre Empörung über die im Regierungsprogramm fortgeschriebene rassistische Haltung gegenüber Schutzsuchenden, vor Krieg und sozialem Elend Flüchtenden. Es liegt auch an den Enttäuschten und Empörten, sich in der österreichischen politischen Landschaft in der mit einer handlungsfähigen antikapitalis­tischen, radikaldemokra­tischen, sozialökologischen, feministische­nAlternative links von Grünen und Sozialdemokratie zu verankern. Es gibt keinen anderen Weg dazu als die Kooperation aller Kräfte, die sich für Alternativen und eine solidarische Gesellschaft einsetzen wollen. Das ist die größte Herausforderung, vor die uns die türkis-grüne Regierungskoalition stellt.

Beschlossen vom KPÖ-Bundesvorstand am 25.1.202

Quelle:

Kommunistische Partei Österreichs (KPÖ)