Appell an die Innenminister*innen: Landesaufnahmeprogramme für Flüchtlinge jetzt!

PRO ASYL, Bun­des­fach­ver­band unbe­glei­te­te min­der­jäh­ri­ge Flücht­lin­ge, Jugend­li­che ohne Gren­zen und Lan­des­flücht­lings­rä­te for­dern anläss­lich der Innen­mi­nis­ter­kon­fe­renz vom 17.–19. Juni 2020 die Auf­nah­me von geflüch­te­ten Men­schen aus euro­päi­schen und außer­eu­ro­päi­schen Flücht­lings­la­gern

Die Auf­nah­me­zu­sa­ge von bis zu 400 Min­der­jäh­ri­gen und ihrer Ange­hö­ri­gen aus den grie­chi­schen Elend­sla­gern nach Deutsch­land – so begrü­ßens­wert sie im Ein­zel­fall ist – ist nichts mehr als ein Trop­fen auf dem hei­ßen Stein. Die Kapa­zi­tä­ten der EU-Hot­spots sind um ein Viel­fa­ches über­schrit­ten (31.891 Schutz­su­chen­de bei einer Kapa­zi­tät von 6.095 Plät­zen, Stand 05.06.2020), es gibt weder aus­rei­chen­de sani­tä­re Anla­gen noch eine funk­tio­nie­ren­de Gesund­heits­ver­sor­gung.

Unter den Schutz­su­chen­den auf den Inseln befin­den sich etli­che Men­schen mit fami­liä­ren Bezie­hun­gen in Deutsch­land. Ihre Auf­nah­me ist kein huma­ni­tä­rer Gna­den­akt, son­dern eine recht­li­che Ver­pflich­tung, der Deutsch­land und wei­te­re EU-Staa­ten nach­kom­men müs­sen. Zusätz­lich bie­tet die Dub­lin-III-Ver­ord­nung die Mög­lich­keit, die Auf­nah­me Schutz­su­chen­der aus huma­ni­tä­ren Grün­den zu ver­an­las­sen. Die­se muss auch wei­ter­hin in Grie­chen­land, sowie im zen­tra­len Mit­tel­meer zur Auf­nah­me von Boots­flücht­lin­gen genutzt wer­den.

Seit zwei Jah­ren gibt es in Deutsch­land breit vor­ge­tra­ge­ne For­de­run­gen um die Auf­nah­me von Schutz­su­chen­den. Demons­tra­tio­nen, zivil­ge­sell­schaft­li­che Initia­ti­ven und Regie­rungs­mit­glie­der ver­schie­de­ner Bun­des­län­der haben die Auf­nah­me­be­reit­schaft bestä­tigt.

Welt­weit gibt es laut dem UN-Flücht­lings­hilfs­werk 1,44 Mil­lio­nen beson­ders schutz­be­dürf­ti­ge Flücht­lin­ge, die drin­gend einen Auf­nah­me­staat brau­chen. Hier­zu zäh­len u.a. Über­le­ben­de von Fol­ter, kran­ke Men­schen, Kin­der, die allei­ne auf der Flucht sind und allein­ste­hen­de Frau­en. Doch die zur Ver­fü­gung ste­hen­den Auf­nah­me­plät­ze im Rah­men des UN-Resett­le­ment-Pro­gramms sind viel zu gering. Gene­rell gibt es kaum siche­re und lega­le Zugangs­we­ge nach Deutsch­land und Euro­pa. Anstatt per Flug­zeug ein­rei­sen zu kön­nen, müs­sen Schutz­be­dürf­ti­ge den lebens­ge­fähr­li­chen Weg über das Mit­tel­meer antre­ten oder ande­re Flucht­rou­ten neh­men. Nach offi­zi­el­len Zah­len sind im ver­gan­ge­nen Jahr auf dem Mit­tel­meer min­des­tens 1.885 Men­schen gestor­ben und inner­halb Euro­pas kamen wei­te­re 148 Per­so­nen ums Leben. Noch mehr Men­schen ver­lie­ren ihr Leben auf dem Weg durch die Saha­ra.

Die­ses Ster­ben muss ein Ende haben. Ein Mit­tel hier­für sind siche­re und lega­le Zugangs­we­ge. PRO ASYL begrüßt des­halb, dass es in Ber­lin, Bran­den­burg, Thü­rin­gen, Ham­burg und Schles­wig-Hol­stein aktu­ell noch Lan­des­auf­nah­me­pro­gram­me für Syrer*innen gibt. Im Rah­men des UN-Resett­le­ment-Pro­gramms hat Deutsch­land zuge­sagt, 5.500 Per­so­nen aus Ägyp­ten, Jor­da­ni­en, Kenia, Liba­non, Niger und der Tür­kei auf­zu­neh­men. Gera­de die Auf­nah­men aus der Tür­kei im Rah­men des EU-Tür­kei-Deals zei­gen deut­lich, was huma­ni­tä­re Auf­nah­me­pro­gram­me nicht sein dür­fen: Legi­ti­ma­ti­on für Grenz­schlie­ßun­gen und für die Ver­wei­ge­rung des Zugangs zum indi­vi­du­el­len Recht auf Asyl in Euro­pa. Statt­des­sen müs­sen sich die Auf­nah­me­zu­sa­gen Deutsch­lands am durch den UNHCR ermit­tel­ten Bedarf ori­en­tie­ren.

PRO ASYL, Jugend­li­che ohne Gren­zen, Bun­des­fach­ver­band unbe­glei­te­te min­der­jäh­ri­ge Flücht­lin­ge und Lan­des­flücht­lings­rä­te for­dern die Auf­nah­me einer signi­fi­kan­ten Anzahl von geflüch­te­ten Men­schen aus dem außer­eu­ro­päi­schen Aus­land und aus euro­päi­schen Flücht­lings­la­gern nach Deutsch­land:

  • Die Bun­des­län­der soll­ten ent­spre­chen­de Lan­des­auf­nah­me­pro­gram­me gemäß § 23 Abs. 1 Auf­en­thG ein­rich­ten. Bezüg­lich einer Auf­nah­me aus Grie­chen­land soll­ten hier­für ins­be­son­de­re auch Per­so­nen mit fami­liä­ren Bezie­hun­gen nach Deutsch­land berück­sich­tigt wer­den.
  • Die Bun­des­re­gie­rung soll­te aktu­ell Fami­li­en­zu­sam­men­füh­run­gen im Rah­men der Dub­lin-III-Ver­ord­nung ermög­li­chen und die­se im Fal­le einer Ver­fris­tung auf­grund des hohen Stel­len­werts der Fami­lie und des Kin­des­wohls trotz­dem umset­zen. Dies gilt auch für Fami­li­en­zu­sam­men­füh­rung aus Dritt­staa­ten.
  • Dar­über hin­aus soll­te die Bun­des­re­gie­rung aus huma­ni­tä­ren Grün­den über Art. 17 Abs. 2 Dub­lin-III-Ver­ord­nung auch wei­te­re Schutz­su­chen­de aus Grie­chen­land und Boots­flücht­lin­ge aus Mit­tel­meer­staa­ten auf­neh­men.
  • Die Bun­des­re­gie­rung soll­te die huma­ni­tä­ren Auf­nah­me­pro­gram­me und Resett­le­ment-Plät­ze aus­bau­en.

Quelle:

Pro Asyl