Trotz allem notwendig

Nachdem sich die wirtschaftsliberale Regierung sehr lange beim Gedanken an weitere Einschränkungen des Einzelhandels auf die Zunge gebissen hatte, wurden angesichts der auf hohem Niveau stagnierenden Infektionszahlen nun doch härtere Maßnahmen beschlossen. Diese greifen, weiterhin auf den Konsum bedacht, pünktlich zum Ende der Weihnachtsfeiertage.

Grundsätzlich sind diese zu begrüßen, denn es hat sich gezeigt, daß es immer noch Menschen gibt, die nicht bereits sind, solidarisch zu handeln in dieser Pandemie. Verschärfungen müssen deshalb leider auch von der großen Mehrheit mitgetragen werden, die sich korrekt verhält. Der Schutz des medizinischen Personals, das täglich an die Grenzen der Belastung geht, während die Bevölkerung sich durch struppevolle Einkaufszentren schiebt oder am Fenster im Pulk ohne Abstand und Maske Glühwein trinkt.

Das Problem ist aber auch, daß die Inkohärenz bisheriger Maßnahmen den Eindruck vom Rufen im Walde machte. Nun sollen unter anderem Sportstätten wieder schließen. Individualsport allein oder mit einer Person aus dem selben Haushalt ist zwar erlaubt, jedoch eben nicht auf Sportplätzen, sondern nur außerhalb. Das bringt die Frage auf, wo das Ansteckungsrisiko höher ist: Morgens allein auf einer Laufbahn am lokalen Sportplatz oder entlang der Straße, in Parks oder Naturschutzgebieten, wo wesentlich mehr Menschen unterwegs sind. Eine andere Frage ist, wann endlich der Spitzenfußball dieses Landes entsprechend ernst genommen wird. Denn bekanntlich sind luxemburgische Teams internationale immer erfolgreicher, weshalb endlich das verstaubte Bild von den Feierabendkickern revidiert werden muß. In den Nachbarländern wird weiter gekickt, wenn auch größtenteils ohne Zuschauer, während in Luxemburg bis Februar wieder alles ruht.

Ebenfalls schwierig zu verstehen ist, daß es am Findel für Rückkehrer weiterhin lediglich eine Einladung zu einem Corona-Test gibt. Man wolle mit Schnelltests, die nun ebenfalls angeboten werden sollen, die Zahl der Personen, die sich nach ihrer Landung testen lassen, steigern, erklärte Mobilitätsminister Bausch. Aktuell liegt diese Zahl bei 15 Prozent. Wer die Bilder vom Findel am letzten Freitag vor dem Abflug nach Porto gesehen hat, kann sich an einer Hand ausrechnen, was da Anfang Januar an Fallzahlen auf Luxemburg zukommt, wenn die Tests, eventuell gekoppelt mit Quarantänemaßnahmen, nicht obligatorisch werden.

Denn leider ist noch immer kein gemeinsames Handeln der EU-Staaten im Rahmen der Pandemiebekämpfung zu sehen. Wer sich den Hickhack der letzten Wochen vor Augen führt, mit dem etwa Deutschland halb Europa in Sachen Risikogebiete und Reisebedingungen am Nasenring durch die Manege gezerrt hat und Kommissionspräsidentin Von der Leyen nun den gemeinsamen Impfstart als starkes Zeichen der EU-Zusammenarbeit verkündete, könnte auf die Idee kommen, es handele sich hier um eine schlechte Komödie. Zumal es erneut Deutschland ist, welches sich im Alleingang weitere Dosen gesichert hat, während Premier Bettel auf das gemeinsame Pferd EU setzt. Daß Luxemburg mit diesem Gaul keine Wette zu gewinnen hatte, zeigt sich seit März.

Christoph Kühnemund

Quelle: Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek – Unser Leitartikel: <br/>Trotz allem notwendig