Wie steht es um die Organisation?

Der aktuelle Konflikt darum, wer die Zeche für die aktuellen Krisen zahlen soll, ist entschieden und die Rechnung adressiert, wenn man nach dem geht, was Regierung und Patronat entschieden haben. Die Tripartite, das heilige Instrument der sozialen Partnerschaft in Luxemburg, von dem man lange Jahre glaubte, unsere Nachbarn würden uns darum beneiden, hat seinen Glanz endgültig verloren. Zurück bleibt die Gewißheit, daß es eine solche Partnerschaft zu keinem Zeitpunkt gegeben hat und daß jetzt, etwas mehr als 2 Wochen vor dem 1. Mai, die Zeichen auf Sturm stehen bei jenen gewerkschaftlichen und politischen Kräften, die eine Umverteilung von unten nach oben nicht mittragen wollen.

Doch wie steht es um die gewerkschaftliche Organisation in Luxemburg? Wäre es organisatorisch möglich, solche Massen, wie noch in den 1980er Jahren auf die Straße gingen, zu mobilisieren, um deutlich sichtbaren Druck gegen diese ungerechten Beschlüsse machen zu können?

Etwas mehr als 20 Euro kostet in Luxemburg der monatliche Mitgliedsbeitrag in einer Gewerkschaft. Es kann also nicht nur am Kostenfaktor liegen, daß immer weniger Menschen die Notwendigkeit sehen, gewerkschaftlich organisiert zu sein. Eine rezente Erhebung stellte gar einen Rückgang der gewerkschaftlich organisierten Berufstätigen in Luxemburg fest.

Das Verständnis, daß all die bisher erreichten und keineswegs gesicherten sozialen Errungenschaften und Verbesserungen in den Betrieben von den Generationen vor uns teils hart erkämpft werden mußten und keine Selbstverständlichkeit oder gar patronale Gutherzigkeit darstellen, geht leider immer mehr verloren. Das liegt vor allem an der gezielten Entpolitisierung und Sozialpartnerschaft der vergangenen Jahrzehnte, die uns nun auf die Füße fallen könnte.

Die Tradition, betriebliche Mitbestimmung, Arbeitszeitverkürzung und andere Forderungen mit Druck als Masse von der Straße her durchzusetzen, ist in vielen Köpfen nicht mehr präsent. Dabei wäre es gerade jetzt, wo viele der angesprochenen Errungenschaften scheibchenweise zurückgenommen werden sollen und obendrein zwei große Krisen auf der Masse abgewälzt werden, während die Profiteure sich Dividenden ausschütten, an der Zeit, sich darauf zu besinnen, welche Wirkung und welchen Wert die Organisation in einer Gewerkschaft hat. Seine eigenen Ideen in Gewerkschaftspolitik mit einzubringen und in der Masse stark zu sein, Druck zu machen.

Gewerkschaftlich organisierte Beschäftigte, Schüler, Studenten und Rentner sind deutlich schwerer zu spalten. Gerade in der aktuellen Situation ist so eine Geschlossenheit sehr wichtig, um deutlich zu machen, daß der soziale Roll-Back mit fadenscheinigen Argumenten nicht so einfach auf die Lohnabhängigen abzuwälzen ist.

Dazu gehört auch, zu verstehen, daß etwa eine Verlängerung der Lebensarbeitszeit rein auf Basis der demographischen Entwicklung falsch und patronatsfreundlich ist. Dazu gehört, daß geschaffener Reichtum gerecht verteilt werden muß. Dazu gehört, zu verstehen, daß eine Forderung nach kürzerer Wochen- und Lebensarbeitszeit nicht zwangsläufig weniger Einkommen bedeutet und daß Mitbestimmung im Betrieb keine Bittstellerei, sondern ein legitimes Recht sein muß.

Darum ist Organisation so wichtig und der finanzielle Beitrag sollte keine unüberwindliche Hürde sein, wenn es darum geht, etwas zu bewegen. Die sozialen Errungenschaften früherer Generationen dürfen den Herrschenden nicht auf dem Silbertablett präsentiert werden.

Quelle: Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek