Polizeigewalt gegen Demonstrierende am 1. Mai in Turin

In vielen Städten Italiens gab es größere Demonstrationen zu Ehren des 1. Mai – die meisten liefen friedlich ab. Nicht so in Turin, wo die Polizeikräfte erneut äußerst eskalativ auf die Demonstrantinnen und Demonstranten reagierten. Zuletzt geschah dies am 28. Jänner, wo insgesamt 40 Schülerinnen und Schüler bei friedlichen Protesten gegen das duale Schulsystem verletzt wurden, während sich in allen anderen Städten, in denen Demonstrationen und Kundgebungen abgehalten wurden, die Polizeikräfte an die Regeln hielten.

Staat, Klerus und Gewerkschaft

Hunderte Demoteilnehmerinnen und ‑teilnehmer hatten sich in Turin im klassenkämpferischen Block auf der Demonstration eingefunden. Es waren dies Schülerinnen und Schüler, Studierende, Jungarbeiterinnen und ‑arbeiter sowie Arbeitslose. Sie wandten sich in ihren Losungen gegen den imperialistischen Krieg, die von der Regierung geförderte Aufrüstungspolitik und den Anstieg der Lebenshaltungskosten. Führende Köpfe und Demoorganisatorinnen und ‑organisatoren der sozialdemokratischen Gewerkschaften CGIL, CISL und UIL gerieten angesichts der starken Mobilisierung der Kommunistischen Jugendfront (Fronte della Gioventù Comunista, FGC) in Zugzwang und Alarmbereitschaft – die von ihnen propagierte Stoßrichtung sah nämlich ganz anders aus: Ukraine über alles, Burgfrieden im Innern und NATO-Unterstützung nach außen. Zu diesem Zweck und um ihre Systemtreue unter Beweis zu stellen, hatten diese Gewerkschaften den Bürgermeister Stefano Lo Russo, den Bischof Cesare Nosiglia und weitere institutionelle Größen als Rednerinnen und Redner eingeladen. Für sie war klar: Die klassenkämpferischen Kräfte müssen draußen bleiben.

So wurde mit allen Mitteln versucht, das Auftreten von Stimmen gegen die kriegstreiberische und regierungsfreundliche Politik auf der 1. Mai-Demonstration zu verhindern. Die Kommunistische Jugendfront prangert eine Vielzahl an Verstößen der am 1. Mai in Turin operierenden Polizisten an. Schon bei der ersten Versammlung auf der Piazza Vittorio empfing ein riesiges Aufgebot von Polizisten in voller Montur den klassenkämpferischen Block und versuchte ihn handgreiflich daran zu hindern, den Demonstrationszug in Gang zu setzen. Durch die Entschlossenheit der Demoteilnehmerinnen und ‑teilnehmer konnte der Polizeikordon jedoch aufgelöst werden, der kurz vor der Piazza San Carlo wieder auftauchte, wo in Anwesenheit des Bürgermeisters, des Bischofs und verschiedener institutioneller Größen die Legitimierung der kriegstreiberischen Politik der Regierung zelebriert wurde. Bei dem Versuch, den Platz zu betreten, wurde mit mehreren gezielten Attacken der Polizisten versucht, den Block zu zerstreuen, was zu mehreren Verletzungen unter den Demonstrantinnen und Demonstranten führte. Außerdem verhinderte das Polizeipräsidium lange Zeit, dass Krankenwagen den Platz erreichten, um die Verletzten zu behandeln.

Die Ausschreitungen der Polizisten geschahen nicht nur in Anwesenheit der verbalradikalen Gewerkschaftsfunktionärinnen und ‑funktionäre, sondern wohl auf ihre explizite Bitte hin.

Nein zum imperialistischen Krieg

Der FGC erinnert dabei an die Zustände am 28. Jänner: „Die Repression der Turiner Polizei reichte nicht aus, um uns zum Aufgeben zu bewegen – eine Repression, die wir bereits am 28. Jänner zusammen mit Hunderten von Studenten erlebt hatten, die für den Tod von Lorenzo Parelli auf die Straße gingen, der während eines Praktikums ermordet wurde. Genau wie damals gaben wir keinen Zentimeter nach, und am Ende erreichte der Block den Platz und beendete die Demonstration mit verschiedenen Redebeiträgen.“

Den widrigen Umständen zum Trotz war die diesjährige 1. Mai-Demonstration dem FGC-Turin zufolge ein großer Erfolg, „indem er die Positionen der Arbeiter und der Volksschichten gegen die Politik der Regierungen deutlich machte: Nein zum imperialistischen Krieg, Nein zur Aufrüstungspolitik, die Geld von den Sozialausgaben wegnimmt, Nein zu den hohen Lebenshaltungskosten, die proletarische Familien angesichts mickriger Löhne treffen, Nein zur Verwüstung und zu den Großprojekten, die für die Bevölkerung nutzlos und für die Umwelt schädlich sind.“

Die repressiven Ausuferungen des bürgerlichen Staates des 1. Mai und der vergangenen Monate seien auch hierbei in einem größeren Zusammenhang zu sehen, in welchem „jede Stimme, die sich organisiert und wirksam gegen den von den Monopolen gewollten Krieg und gegen die Politik der Regierungen zu dessen Durchführung erhebt, getroffen werden soll“, so der FGC-Turin.

Auch in diesem Fall zeigt sich, wie stark die Sozialdemokratie insgesamt von einer herrschaftsfeindlichen zu einer herrschaftsstabilisierenden Politik übergegangen ist, die sich weder scheut, Bürgermeister und Klerusexponenten auf ihren Tribünen reden zu lassen, noch die Repressionsorgane gegen die klassenkämpferischen und basisgewerkschaftlichen Kräfte einzusetzen. Die frohen Gesichter, die Selbstinszenierung und das freundschaftliche Händeschütteln der Gewerkschafts- und PD-Parteibosse, die im Nachhinein auf Social Media von diesen Gewerkschaften publiziert wurden, können nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Kampf woanders stattfand und diese Gewerkschaften, die vorgeben, auf der Seite der Arbeiterinnen und Arbeiter zu stehen, in Wirklichkeit auf der anderen Seite der Barrikade standen.

Quelle: Zeitung der Arbeit/FGC Torin/FGC

 

Quelle: Zeitung der Arbeit