Schon wieder eine gestorben?

Bei 41,2 Grad liegt der offizielle Hitzerekord in Deutschland. Er stammt aus dem Jahr 2019. Seitdem sind Temperaturen im Hochsommer, die sich dieser Marke annähern und über mehrere Tage zwischen 35 und 40 Grad liegen, keine Seltenheit mehr.

Viele Menschen stellt das vor He­rausforderungen. In Alten- und Pflegeheimen ist der Blick aufs Thermometer oft mit besonderer Sorge verbunden, denn für ältere, geschwächte Menschen kann die Hitze eine echte Gefahr sein. Hier treffen die hohen Temperaturen auf Bewohnerinnen und Bewohner, deren Durstempfinden ohnehin eingeschränkt und deren gesundheitlicher Allgemeinzustand oft reduziert ist. Auch Vorerkrankungen, zum Beispiel des Herz-Kreislaufsystems oder der Atemwege, sind bei älteren Menschen eher die Regel als die Ausnahme. So kann die Hitze im Altenheim schnell lebensbedrohlich werden.

Auch die Zahlen des Statistischen Bundesamtes bezüglich der sogenannten Hitzetoten in Deutschland sind eindeutig: Über 3.000 Todesfälle mehr als durchschnittlich üblich wurden dieses Jahr bereits für die besonders heißen Monate Juni und Juli erfasst. Damit setzt sich ein trauriger Trend fort, der erstmals im „Jahrhundertsommer“ 2003 auffiel. Damals lag die Zahl der Hitzetoten – die statistische „Übersterblichkeit“ – in sehr heißen Wochen und Monaten bei insgesamt über 10.000 Menschen. Das sind Todesfälle, die oftmals mit entsprechenden Vorkehrungen beziehungsweise einem konsequenten Hitzemanagement vermeidbar wären.

Wichtig wäre es, konkrete Schritte zu unternehmen, um gefährdete Menschen in Hitzeperioden zu informieren und zu unterstützen, zum Beispiel durch ein zusätzliches, kostenfreies Getränkeangebot und eine engermaschige soziale Betreuung. Doch hier geschieht leider viel zu wenig.

Sowohl die baurechtlichen Vorschriften für Krankenhäuser und Pflegeheime als auch Regelungen zur Unterstützung und zum Schutz des Personals bei Temperaturen über 35 Grad sind ungenügend. Eine Pflicht zur Installation von Kühlsystemen und Klimaanlagen in Pflegeheimen gibt es nicht. Die entsprechenden Systeme müssten, anders als beispielsweise in Büros oder Einkaufszentren, besonderen hygienischen Anforderungen genügen und konsequent und regelmäßig auch unter hygienischen Aspekten gewartet werden. Das ist teuer. Kosten, vor denen Heimbetreiber zurückschrecken. So bleibt es oft Aufgabe des Pflegepersonals, zu versuchen, die schlimmsten Hitzefolgen für die Bewohnerinnen und Bewohner abzumildern. Räume bleiben verdunkelt, körperliche Anstrengung wird vermieden und immer wieder werden Getränke angereicht.

Das funktioniert mehr schlecht als recht, solange ausreichend Personal da ist, um sich zu kümmern. Tritt der Personalmangel im Pflegeheim schon zu regulären Zeiten immer häufiger auf, schlägt er in Hitzezeiten aber erst recht voll durch. Wer über 20 ältere Menschen alleine zu betreuen hat, sie waschen, pflegen, ernähren soll, dem bleibt für zusätzliche Hitzeschutzmaßnahmen und häufigeres Anreichen von Getränken selten Zeit. Sie sich dennoch zu nehmen, um eine Austrocknung und Gefährdung der anvertrauten Menschen zu verhindern, bedeutet für das Pflegepersonal in Zeiten, in denen es auch für sie 36, 37 oder 38 Grad heiß ist, ihren Arbeitstakt nochmal zu erhöhen.

Das alles findet nach wie vor unter Pandemiebedingungen statt, was das durchgängige Tragen einer FFP2-Maske und gegebenenfalls weiterer Schutzkleidung bedeutet. Erschöpfung ist programmiert.

Abhilfe könnte dadurch geschaffen werden, dass verpflichtend mehr Personal vorgeschrieben wird. Auch baurechtliche Vorgaben, zum Beispiel durch Kühlsysteme, würden helfen. Das ist eine Kostenfrage, aber eine, die immer wieder aufs neue gestellt werden muss, wenn Hitzeperioden nicht kommentar- und folgenlos als ernsthafte Gefahr für ältere Menschen hingenommen werden sollen.

Quelle: Unsere Zeit