Kriminalisierung von Geflüchteten: PRO ASYL fordert Gerechtigkeit für Schutzsuchende, die in Malta vor Gericht stehen

Drei jungen Geflüchteten droht auf Malta lebenslange Haft, weil sie sich friedlich der Zurückschleppung nach Libyen widersetzten. Das Verfahren der „El Hiblu3“ wird am heutigen Donnerstag fortgesetzt. PRO ASYL fordert die sofortige Einstellung des Verfahrens.

Dreieinhalb Jahre sind Abdalla, Amara und Kader bereits auf Malta und noch immer müssen sie sich vor lebenslangen Haftstrafen fürchten. Der Grund: Die Geflüchteten widersetzten sich der Rückführung nach Libyen und drangen darauf, in der EU einen Asylantrag stellen zu dürfen. Der Gerichtsprozess um die drei Schutzsuchenden – bekannt als die El Hiblu3, benannt nach dem Schiff El Hiblu, auf dem sie in die EU flohen – wird am heutigen Donnerstag in Malta fortgesetzt. Ein internationales Bündnis, zu dem PRO ASYL gehört, fordert die sofortige Einstellung des Verfahrens und hat einen Offenen Brief an die maltesische Generalstaatsanwältin Victoria Buttigieg verfasst.

„Es ist grotesk, dass Schutzsuchenden vor europäischen Gerichten drakonische Haftstrafen drohen, weil sie das Recht auf Asyl einfordern und sich nicht widerstandslos in die Folterlager Libyens zurückschicken lassen“, sagt Karl Kopp, Leiter der Europa-Abteilung von PRO ASYL. „Widerstand gegen die illegale Rückschiebung nach Libyen ist kein Verbrechen. Wir fordern die maltesische Staatsanwaltschaft auf, das Verfahren einzustellen.“

Flüchtlinge sehen sich Terrorismus-Vorwurf ausgesetzt

Am 27. März 2019 wurde das Handelsschiff „El Hiblu 1“ von einem Flugzeug der EU-Militärmission EUNAVFOR MED-Operation „Irini“ angewiesen, 108 Menschen aus Seenot zu retten. Nach der Rettung nahm der Kapitän entgegen seiner Ankündigung gegenüber den Geretteten Kurs auf Libyen. Als den Schutzsuchenden dies bewusst wurde, versuchten sie den Kapitän von der Umkehr zu überzeugen. Drei zu dem Zeitpunkt 15, 16 und 19 Jahre alte Schutzsuchende – Abdalla, Kader und Amara – vermittelten und übersetzten während des friedlichen Protests an Bord. Der Kapitän kehrte schließlich um; nach der Ankunft in Malta wurden die drei Jugendlichen inhaftiert. Sie sind seitdem mit einer schwerwiegenden Anklage konfrontiert, unter anderem wegen Terrorismus.

„Niemand wurde verletzt, das Schiff nicht beschädigt, die jungen Männer waren nicht bewaffnet. Der Vorwurf des Terrorismus rührt daher, dass der Kapitän die maltesischen Behörden vor dem Einlaufen in den Hafen darüber informiert hatte, dass das Schiff von den Migranten übernommen worden sei und er keine Kontrolle mehr habe“, erklärt Rechtsanwalt Neil Falzon, der die Drei vertritt, in einem Interview mit PRO ASYL. „Um den Vorwurf der Piraterie und des Terrorismus zu verstehen, muss man die politischen Zusammenhänge sehen: Malta stellt eine Festung dar, um ganz Europa die Migranten vom Leib zu halten“, ergänzt er.

Falzon kritisierte Ende vergangenen Jahres, dass vor Gericht nur die Besatzung und Beamte angehört und nicht die anderen Bootsflüchtlingen als Zeug*innen geladen wurden. „Wir hoffen, dass die Staatsanwaltschaft moralisches Urteilsvermögen an den Tag legt. Die Anklage ist völlig überzogen, die drei jungen Männer sind definitiv keine Piraten oder Terroristen!“, so der Anwalt.

Der Offene Brief im Fall der El Hiblu3 kann bis zum 26. September von Organisationen und Einzelpersonen hier unterzeichnet werden.

Hintergrund

Malta verhindert systematisch die Seenotrettung und die Regierung ist immer wieder in illegale Zurückweisungen beziehungsweise Pull-Backs von Geflüchteten nach Libyen involviert. Im Fall der El Hiblu3 findet eine Opfer-Täter-Umkehr statt. Diese Kriminalisierung von Schutzsuchenden ist jedoch kein Einzelfall und nicht auf Malta beschränkt: Auch in Griechenland und Italien wurden in den vergangenen Jahren tausende Schutzsuchende als vermeintliche Schlepper verurteilt. Bootsflüchtlinge werden mit drakonischen Strafen belegt, weil sie als angebliche Kapitäne vermeintlich Menschenschmuggel betreiben. Anfang Mai dieses Jahres wurden beispielsweise die „Paros3“, die syrischen Familienväter Abdallah, Mohamad und Kheiraldin, in Griechenland zu insgesamt 439 Jahren Haft verurteilt wegen „Beihilfe zur unerlaubten Einreise“.

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Quelle: Pro Asyl