80 Jahre NKFD – der Widerstand gegen Krieg und Faschismus bekam eine Form

Mit der militärischen Niederlage im Februar 1943 in Stalingrad begann ein Umdenken selbst unter Anhängern des deutschen Faschismus und der Wehrmacht. In zahllosen politischen Debatten in den Kriegsgefangenenlagern in der Sowjetunion entstand gemeinsam zwischen der sowjetischen Führung und den Emigrationsleitung der KPD die Idee, deutschen Soldaten und Offizieren, die einen Bruch mit Hitler und der faschistischen Politik vollziehen wollten, ein Angebot für einen antifaschistischen Neubeginn zu machen. Im Sommer 1943 war es soweit.

In Krasnogorsk bei Moskau wurde am 13. Juli 1943 die Sammlungsbewegung Nationalkomitee „Freies Deutschland“ (NKFD) gegründet. Zu den 38 Gründungsmitgliedern des Komitees gehörten wichtige Vertreter der deutschen Emigranten in Moskau, darunter die KPD-Funktionäre Anton Ackermann, Wilhelm Florin, Walter Ulbricht und der erste Präsident der DDR Wilhelm Pieck, sowie bekannte Schriftsteller wie Johannes R. Becher, Willi Bredel, Erich Weiner und Friedrich Wolf. Die Mehrheit bildeten jedoch deutsche Kriegsgefangene aus Mannschafts- und Offiziersrängen, wie der Hauptmann Ernst Hadermann, Oberleutnant Eberhard Charisius und Heinrich Graf von Einsiedel (Leutnant) und Bernt von Kügelgen (Leutnant). Auch der evangelische Pfarrer Matthäus Klein (Unteroffizier) und der katholische Theologiestudent Jakob Eschborn (Gefreiter) waren als christliche Gegner des NS-Regimes vertreten. Erich Weinert wurde zum Präsidenten des NKFD gewählt.

Im September 1943 entstand in den Kriegsgefangenenlagern der Bund Deutscher Offiziere (BDO) geleitet vom General der Artillerie Walther von Seydlitz, der sich wenig später ebenfalls dem NKFD anschloss.

Im „Manifest des NKFD“, der eigentlichen Gründungserklärung, hieß es:
„Das Nationalkomitee bringt die Gedanken und den Willen von Millionen Deutscher an der Front und in der Heimat zum Ausdruck, denen das Schicksal ihres Vaterlandes am Herzen liegt. (…)
Hitler führt Deutschland in den Untergang. (…) Kein äußerer Feind hat uns Deutsche jemals so tief ins Unglück gestürzt wie Hitler.
Die Tatsachen beweisen: Der Krieg ist verloren. Deutschland kann ihn nur noch hinschleppen um den Preis unermesslicher Opfer und Entbehrungen. Die Weiterführung des aussichtslosen Krieges würde das Ende der Nation bedeuten. Aber Deutschland darf nicht sterben! Es geht jetzt um Sein oder Nichtsein unseres Vaterlandes. (…)
Das deutsche Volk braucht und will unverzüglich den Frieden. (…)
Das Ziel heißt: freies Deutschland.
Das bedeutet: eine starke demokratische Staatsmacht (…) Restlose Beseitigung aller auf Völker- und Rassenhass beruhenden Gesetze, aller unser Volk entehrenden Einrichtungen des Hitlerregimes, Aufhebung aller gegen die Freiheit und Menschenwürde gerichteten Zwangsgesetze der Hitlerzeit. Wiederherstellung und Erweiterung der politischen Rechte und sozialen Errungenschaften der Schaffenden, Freiheit des Wortes, der Presse, der Organisation, des Gewissens und der Religion. (…)
Gerechtes, schonungsloses Gericht über die Kriegsverbrecher, über die Anführer, ihre Hintermänner und Helfer, die Deutschland ins Verderben, in Schuld und Schande stürzten (…)“

Die wichtigste Tätigkeit des NKFD an der Ostfront war die Aufklärungsarbeit durch freiwillige Frontbeauftragte mit dem Ziel, Angehörige der Wehrmacht zum Überlaufen bzw. zur freiwilligen Gefangennahme zu bewegen. Das zweite Arbeitsfeld war die politische Aufklärung in den Kriegsgefangenenlagern, um Soldaten und Offiziere für einen antifaschistisch-demokratischen Neubeginn nach der Befreiung zu gewinnen.

Der Gedanke einer nationalen Sammlungsbewegung aller deutschen Kräfte, die sich gegen Hitler und das NS-Regime stellen können, verbreitete sich auch in den besetzten Gebieten und im westlichen Exil. So entstand insbesondere in Frankreich und angrenzenden Ländern das „Komitee Freies Deutschland für den Westen“ (CALPO – Comité Allemagne libre pour l’Ouest), in Großbritannien entstand die „Freie Deutsche Bewegung“ (Free Germany Movement in Great Britain). Eine wichtige Rolle auf dem amerikanischen Kontinent spielte die „Freie Deutsche Bewegung“ in Mexiko unter Leitung von Ludwig Renn (Spanienkämpfer) und Paul Merker mit ihrer Zeitschrift „Alemania Libre“.
Die FIR erinnert an diese Sammlungsbewegung gegen Faschismus und Krieg. Zeigt sie doch, welche breiten gesellschaftlichen Bündnisse im antifaschistischen Sinne in existenziellen Konstellationen möglich sind und welchen Beitrag sie als Teil der Anti-Hitler-Koalition zum Sieg über die faschistische Barbarei geleistet haben.