Einbürgerung gegen gute Ausbildung und günstige Arbeit

Übernommen von Yeni Hayat – Neues Leben:

Wie das moderne Einbürgerungsgesetz diskriminiert

Dilan Baran

Seit nun gut einem Jahr berät und debattiert der Bundestag über die Gesetzesinitiative der Regierungskoalition zur „erleichterten Einbürgerung“ in Deutschland. Man konkurriere um die klugen Köpfe der Welt u.a. mit Kanada und den USA. Orientiert habe man sich, laut Innenministerin Faeser, insbesondere an der Gesetzgebung des Nachbarlandes Frankreich und den USA.

Der deutsche Pass ist nämlich nicht ohne Weiteres zu bekommen. So müssen die Bewerber bisher zunächst für mindestens sieben (stimmlose) Jahre in Deutschland wohnen, um eine deutsche Staatsbürgerschaft beantragen zu können. Darüber hinaus spielt vor allem die Einkommenssituation der Bewerberinnen und Bewerber eine zentrale Rolle. Wer kein lückenloses Einkommen nachweisen kann, hat schlechte Chancen. Somit hängt das Wahlrecht vom Geldbeutel ab.

Erleichterung für „Qualifizierte“

Daran ändert auch das neue Einwanderungsgesetz der grün-rot-gelben Koalition nichts, dass die Einbürgerung nur selektiv für ausgebildete Fachkräfte erleichtern will. Ein Paradebeispiel dafür, wie die Bundesregierung Einwanderungspolitik unter Aspekten von ökonomischer Verwertbarkeit anpasst. Daraus macht sie allerdings auch kein Geheimnis. Auf der Homepage der Bundesregierung steht: „Deutschland braucht qualifizierte Einwanderung, damit die Unternehmen ihre Fachkräftebasis sichern und erweitern können“. Während diese Fachkräfte meist auf Kosten der Herkunftsländer ausgebildet werden, können die deutsche Industrie, das Handwerk, der Pflegesektor von qualifizierter Arbeitskraft profitieren, ohne selbst Kosten für deren Ausbildung tragen zu müssen. Zudem können die Unternehmen die Fachkräfte aus dem Ausland meist mit weniger Gehalt abspeisen, denn die „andere“ Ausbildung lässt Freiraum für komplizierte und langwierige, bürokratische Anerkennungsverfahren, die eine Lohnungleichheit für die Frist der Anerkennung zulässt. Die Gehaltsschwellen für Regel- und Engpassberufe werden mit dem neuen Gesetz auch gesenkt. Zudem lassen sich Arbeiterinnen und Arbeiter seltener auf Arbeitskämpfe ein, wenn der Aufenthalt vom Arbeitsplatz, sprich Arbeitgeber abhängt.

Einwanderungspolitik als Selektionsinstrument

Mit dem neuen Einbürgerungsgesetz soll die Staatsbürgerschaft bereits nach 5 Jahren Aufenthalt möglich sein, so wie die doppelte Staatsbürgerschaft.

Wie passt das aber mit den anhaltenden Debatten um zu viel Migrationsdruck und überlasteten Kommunen zusammen?

Einwanderungspolitik ist seit jeher ein systematischer Versuch zu selektieren und zu sortieren. Erwünschte Fachkräfte werden reingelassen, ihre Förderung und Teilhabe werden erleichtert. Die Einwanderer, die man nicht will, werden systematisch ausgegrenzt, ihr Flüchtlingsstatus z.B. zurückgenommen. Soziale Rechte werden immer weiter abgebaut und verschlechtert. Das hat einen weiteren Effekt: entrechtete Arbeiter leisten zum überdurchschnittlichen Teil die am schlechtesten bezahlten, körperlich anstrengenden und gefährlichen Arbeiten. Tagelöhner, Reinigungskräfte, Fleischindustrie, Bau, Prostitution usw. Die Rechtlosigkeit von Einwanderern ist ein wichtiges Werkzeug kapitalistischer Ausbeutung und Herrschaft.

Die Widersprüche der Einwanderungspolitik nehmen zu

Die Widersprüche kennzeichnen die Einwanderungspolitik der aktuellen Phase. Es braucht Einwanderer für die ökonomische Verwertung und dafür auch eine gewisse Weltoffenheit und Toleranz (Standortattraktivität). Gleichzeitig sollen Geflüchtete weiter abgeschreckt und gegen sie abgeschottet werden. Für die Legitimation dieser Abschottung werden immer neue und alte Feindesbilder aufrechterhalten und in diesem Dienste werden soziale Ausgrenzung und Entmenschlichung toleriert und befördert.

Die rassistisch populistische Opposition zu diesem Gesetz, allen voran der AfD und den Unionsparteien („Verramschen der Staatsbürgerschaft“), sollte niemanden darüber hinwegtäuschen, dass die Politik der Regierungsparteien rassistisch ist. Und dass sie die Erzählung von guten und schlechten Einwanderern, von guten und schlechten Schutzsuchenden aufrecht erhält und bestärkt, in die sich ohne Probleme auch Menschen mit eigener Einwanderungsgeschichte einreihen können und das auch vielfach tun.

Die Rechtslage und die Möglichkeiten, die für Einwanderer bestimmter Länder und Ethnien geschaffen werden, hängen zudem auch immer eng mit außenpolitischen Fragen zusammen. Z.B. gibt es zahlreiche Ausnahmeregelungen in der Rechtslage für Staatsangehörige eines Mitgliedsstaats der Europäischen Union, die kommunales Wahlrecht haben und dessen Partner keinen Sprachnachweis benötigen. Auch nachziehende Ehepartner von Staatsangehörigen einiger weiterer ausgesuchter Länder – darunter Australien, Israel, Japan, Kanada, das Vereinigte Königreich und die USA – sind von dem Spracherfordernis befreit. Viele andere müssen jahrelang von ihrem Partner getrennt leben.

Die großzügige Aufnahme und Integration ukrainischer Geflüchteter ist Teil einer Kriegspolitik Deutschlands, die Nähe und Mitgefühl mit dem Kriegspartner erzeugen und das Feindbild des Kriegsgegners verschärfen soll. Und mit der Debatte um die Anerkennung des Existenzrechts Israels für die Einbürgerung wird nicht, wie verkündet, der Antisemitismus bekämpft, sondern der potenzielle Protest palästinensischer Einwanderer gegen Deutschlands Kriegspolitik an Israels Seite kriminalisiert und bestraft.

 

Quelle: Yeni Hayat / Neues Leben