24. April 2025
LuxemburgZLV

Die Regierung sollte sich warm anziehen!

Übernommen von Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek:

Der zweite Tag des 9. OGBL-Kongresses, am 30. März in der Luxexpo in Luxemburg, war gekennzeichnet durch eine Grundsatzrede der am Tag vorher wiedergewählten OGBL-Präsidentin Nora Back, bevor das Gewerkschaftsprogramm für die nächsten fünf Jahre verabschiedet wurde. In einer Resolution wurde festgehalten, das erklärte Ziel der von OGBL und LCGB geschaffenen Gewerkschaftsfront sei es, »mit allen notwendigen Mitteln zu verhindern, dass die sozialen Errungenschaften, für die die Gewerkschaften ein Jahrhundert lang gekämpft und gearbeitet haben, durch eine Regierungspolitik, die nur als retrograd bezeichnet werden kann, zunichte gemacht werden«.

Eingangs ihrer Grundsatzrede stellte die OGBL-Präsidentin fest, dass der Kongress in einer Zeit stattfindet, die so unsicher sei wie schon seit Jahrzehnten nicht mehr. Auf nationaler Ebene sei man mit einem radikalen politischen Kurswechsel konfrontiert. Ein kalter Wind wehe über die Rechte und Errungenschaften der Lohnabhängigen. Man habe sich gegen Attacken auf die Löhne, Kollektivverträge und Renten zu wehren und habe es mit einer Regierung zu tun, welche eins zu eins umsetze, was das Patronat diktiere.

Es geht um die Frage der Umverteilung

Es gehe um die Frage der Umverteilung, man könne feststellen, dass der geschaffene Reichtum tagtäglich weiter von unten nach oben umverteilt werde, und soziale Not und Armut wachsen. Das aber sei Wasser auf die Mühlen der Rechtsextremen.

Die besten Mittel, dem Rechtsextremismus den Nährboden zu entziehen, seien sichere Arbeitsplätze, ordentliche Löhne, soziale Absicherung und gute öffentliche Dienstleistungen. Die Gewerkschaften seien die soziale Brandmauer gegen Rechtsextremismus.

Die Regierung Frieden habe entschieden, das »Luxemburger Sozialmodell, wie es bis dato funktioniert habe, anzugreifen. Der »Sozialdialog« sei bisher die »Stärke unseres Landes« gewesen. Der OGBL versuche immer, die Interessen der Schaffenden über den »sozialen Dialog«, den Verhandlungsweg zu führen. Wenn das nicht möglich sei, scheue man auch nicht die »soziale Konfrontation«. Die Regierung sollte sich daher warm anziehen.

Der Frontalangriff auf die Gewerkschaften habe dazu geführt, dass OGBL und LCGB sich schließlich zu einer Gewerkschaftsfront zusammenschlossen. Das mache der Regierung und dem Patronat Angst, denn dieser Schritt sei die beste Voraussetzung, um alle Attacken und Verschlechterungen mit Erfolg zurückweisen zu können.

Der OGBL halte weiter am »Luxemburger Modell« und am »Sozialdialog zwischen drei gleichberechtigten Partnern« fest, werde aber die Angriffe auf bisherige Errungenschaften nicht hinnehmen, auch nicht im Bereich der Arbeitszeiten.

Die Gewerkschaft stehe historisch für kürzere Arbeiten, das Patronat versuche aber seit 200 Jahren, die Arbeitszeit so weit wie möglich der Maximierung des Profits zu unterwerfen.

Jahresreferenzperioden, die Kürzung von Pausen zwischen zwei Schichten, eine Verlängerung der Wochenarbeitszeit und weniger Urlaub, all das gehöre zu dem, was die Regierung aus dem Wunschkatalog der Dachorganisation des Patronats in ihr Koalitionsprogramm kopiert habe.

Dazu zähle auch, dass nun damit begonnen werden soll, die Arbeitszeiten von 50.000 Beschäftigten aus dem Einzelhandel und dem Lebensmittelhandwerk radikal zu verschlechtern. Sehr oft treffe es Frauen, die für den Mindestlohn arbeiten und deren Arbeits- und Lebensbedingungen nun dramatisch verschlechtert werden sollen. Das habe man auch bei der »Marche Féministe« am 8. März angeprangert, bei der die Gewerkschaft ein starker Bestandteil war.

Eine Kriegserklärung an die Schaffenden

Im Kampf des OGBL für eine »gerechte Verteilung des geschaffenen Reichtums« sei die Lohnpolitik ausschlaggebend. Dazu gehöre die Verteidigung des Index und des gesetzlichen Mindestlohns, der strukturell um 10 Prozent angehoben werden sollte, ebenso wie das Kollektivvertragswesen. Es sei dringend erfordert, die Zahl der Kollektivverträge zu erhöhen, da gegenwärtig jeder zweite Lohnabhängige nicht durch einen Kollektivvertrag abgedeckt sei, was negative Auswirkungen für deren Löhne und Arbeitsbedingungen habe.

Doch statt endlich einen Aktionsplan vorzulegen, um zu erreichen, dass wenigstens 80 Prozent der Lohnabhängigen einen Kollektivvertrag bekommen, stelle die Regierung das exklusive Verhandlungsrecht der national repräsentativen Gewerkschaften bei der Aushandlung und der Unterzeichnung von Kollektivverträgen in Frage und wolle zusätzlich die Verhandlungsinhalte einschränken.

Die OGBL-Präsidentin bezeichnete das als einen Frontalangriff auf die Gewerkschaftsrechte und eine Kriegserklärung an die Schaffenden.

Im Zusammenhang mit der Steuerpolitik forderte Nora Back ein Ende der Ungerechtigkeiten im Steuersystem, welches das Kapital bevorteile und die Lohnabhängigen benachteilige. Das habe dazu geführt, dass die Betriebe immer weniger Steuern zahlen, während die Einkommen aus der Lohnarbeit zu hoch besteuert werden.

Zu den gewerkschaftlichen Forderungen im Steuerbereich zählen unter anderem eine Steuertabelle, welche automatisch an die Inflation angepasst wird, die niedrigen und mittleren Einkommen entlastet und die höheren zusätzlich belastet, eine regelmäßige Anpassung der Steuerkredite an die Inflation, ein Stopp der Senkung der Betriebssteuern, die Einführung einer progressiven Vermögensteuer für Privatpersonen und einer Erbschaftsteuer auf große Vermögen. Vor allem aber will die Gewerkschaft in Gespräche über eine Steuerreform eingebunden und nicht vor vollendete Tatsachen gestellt werden.

Das öffentliche Rentensystem abzusichern

Das gilt auch für die Rentenreform, die nicht über Verschlechterungen im öffentlichen Rentensystem auf dem Rücken der Lohnabhängigen erfolgen dürfe. Die Regierung habe keine Legitimität, den Generationenvertrag kaputt zu machen. Die Gewerkschaft habe eine ganze Reihe von Vorschlägen unterbreitet, um das öffentliche Rentensystem langfristig abzusichern, aber das Patronat wolle nicht über Beitragserhöhungen oder neue Einnahmen diskutieren, und die Regierung verweigere auch in der Rentenfrage einen ernsthaften Dialog mit den Gewerkschaften. Im Falle der Krankenkasse sei es ähnlich, betonte die OGBL-Präsidentin.

In ihrer Grundsatzrede warf Nora Back der Regierung vor, noch immer keinen Plan zur Bekämpfung der Armut vorgelegt zu haben, nicht den notwendigen politischen Willen zu haben, um ernsthafte Maßnahmen gegen den Mangel an Wohnungen zu ergreifen und nun auch noch weniger in Umwelt und Klima investieren zu wollen. Keineswegs hinnehmen werde die Gewerkschaft eine Einschränkung der demokratischen Rechte über eine Verschärfung des Demonstrationsrechts.

Bisherige Rekordaufrüstung kein Thema

Eingangs ihrer Grundsatzrede hatte die OGBL-Präsidentin sich auch zur Frage von Krieg und Frieden geäußert und erklärt, angesichts der veränderten geopolitischen Lage »könne Europa nicht schutzlos bleiben«. Während der Völkermord in Gaza unerwähnt blieb, bekräftigte sie, die Gewerkschaft werde weiter »die Ukraine in ihrer Verteidigung gegen den völkerrechtswidrigen Angriffskrieg unterstützen«.

Ganz allgemein warnte sie vor einer Aufrüstungsspirale und kritisierte, dass jahrzehntelang erzählt wurde, Schulden für Investitionen in den Sozialstaat, in den Wohnungsbau, Schulen und Umweltschutz würden uns ruinieren, nun aber in großem Stil Schulden für Militärausgaben gemacht werden sollen. Die Gewerkschaft werde nicht dulden, dass auch nur ein einziger Euro den Schaffenden und ihren Familien weggenommen werde, um private Rüstungskonzerne zu bereichern.

Keine grundsätzliche Kritik gab es an der bisherigen Rekordaufrüstung der Dreierkoalition von DP, LSAP und Grünen und der bis 2030 von der CSV/DP-Regierung geplanten Verdoppelung der Militärausgaben.

Quelle: Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek