Was uns mit TTIP droht und warum wir es stoppen müssen

Großdemonstration gegen TTIPUnter dem sperrigen Begriff Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft (TTIP) wird gegenwärtig von der EU-Kommission und der US-Regierung hinter verschlossenen Türen ein sogenanntes Freihandelsabkommen verhandelt, das es in sich hat. Wenngleich von offizieller Seite behauptet wird, dieses Abkommen diene dem Wirtschaftswachstum und der Schaffung von Arbeitsplätzen, wird bei näherer Betrachtung der Verhandlungsmaterie rasch klar, das im Interesse von sozialen Standards, ArbeiterInnenrechten, öffentlichem Eigentum, Umweltauflagen, VerbraucherInnen- und Datenschutz, ökonomischer Entwicklung und demokratischer Kontrolle höchste Vorsicht geboten ist.

Das Abkommen zielt nämlich auf eine Angleichung von Gesetzen und Regelungen in den Wirtschaftsregionen EU und USA ab. Dies würde eine Negativspirale bei Sozial- und Umweltstandards auslösen sowie in Form eines sogenannten Investitionsschutzes die Macht der Konzerne weiter stärken, die Staaten aufgrund nationaler Bestimmungen zu Löhnen, Arbeits- und Gewerkschaftsrechten oder Umweltauflagen klagen könnten. Da die Standards in Europa durch den Einsatz von Gewerkschaften, sozialen Bewegungen oder NGOs wesentlich höher sind als in den USA, würden diese durch eine Angleichung an die US-amerikanischen Standards geradezu unter die neoliberale Dampfwalze geraten, was konkret folgende Punkte betreffen würde:

Soziale Standards und ArbeiterInnenrechte:

Die USA haben gerade einmal zwei von acht Kernarbeitsnormen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) unterzeichnet. Diese Kernarbeitsnormen sind als »qualitative Sozialstandards« und grundlegende Arbeitsrechte international anerkannt und beinhalten unter anderem das Recht auf Arbeit, auf gerechte und günstige Arbeits­be­din­gun­gen, auf Zusammenschluss in Gewerkschaften und das Streik­recht, Verbot von Zwangs- und Kinderarbeit sowie gleiche Bezahlung von Frauen und Männern und Schutz vor Diskriminierung. Darüber hinaus konnten in vielen europäischen Staaten auch »quantitative Sozialstandards« durchgesetzt werden, die Re­ge­lun­gen über Arbeitszeit und Urlaub, Mindestlöhne, Ar­beits­schutz­be­stim­mun­gen und betriebliche Mitwirkungsrechte umfassen. Mit Abschluss des Freihandelsabkommen könnten all diese Rechte als sogenannte Handelshemmnisse gelten und könnten durch Klagen von Konzernen zu Fall gebracht werden.

Öffentliches Eigentum und Investitionen:

Die Generalsekretärin des Europäischen Gewerkschaftsverbandes für den Öffentlichen Dienst, Carola Fischbach-Pyttel, betont, dass das Freihandelsabkommen TTIP multinationalen Konzernen Tür und Tor für weiteren Privatisierungsdruck öffnen würde: »Öffentliche Dienstleistungen wie Verkehr, Gesundheit, Soziale Dienste und Wasserversorgung dürfen nicht zum Spielball von Industrieriesen werden. Will man keinen Qualitätsverlust, dann müssen sie in der öffentlichen Hand bleiben.« Bei öffentlichen Investitionen wiederum sollen durch TTIP alle Schranken fallen, wodurch soziale und ökologische Aspekte nur noch sehr eingeschränkt bei der Auftragsvergabe berücksichtigt würden.

Lebensmittelgesetze und Gesundheitsstandards:

Während in Europa beispielsweise gentechnisch veränderte Lebensmittel gekennzeichnet werden müssen beziehungsweise vielfach verboten sind, sind in den USA 90 Prozent des verwendeten Mais, der Sojabohnen oder der Zuckerrüben gentechnisch verändert. Die Umweltorganisation Greenpeace stellt zu den Absichten der Lebensmittel-Konzerne im Rahmen von TTIP fest: »Aus Sicht von US-Konzernen stellen nicht nur Importverbote für mit Chlor desinfiziertem Hühnerfleisch, Klon- und Hormonfleisch ‚Handelshemmnisse‘ dar. Auch die in Europa stockenden Zulassungsverfahren und strengere Kennzeichnungspflicht für genmanipulierte Lebensmittel sind mächtigen US-Konzernen ein Dorn im Auge.« Durch TTIP sollen diese »Handelshemmnisse« auf Kosten von VerbraucherInnenschutz und Gesundheit geschleift werden.

Finanzsektor:

Unter dem Eindruck der weltweiten Wirtschaftskrise wurden in den vergangenen Monaten und Jahren wenngleich sehr bescheidene und unzureichende, aber doch Regulierungen für den Finanzsektor beschlossen. Auch diese sollen durch TTIP erneut aufgeweicht werden, im Kapitel Finanzdienstleistungen setzen die EU- und US-Verhandlungsdelegationen auf Liberalisierung und Deregulierung: So soll nicht nur ein Verbot von riskanten Finanzprodukten und Dienstleistungen ausgeschlossen werden, sondern auch die Anfechtbarkeit einschränkender Gesetze beschlossen werden. Der Ökonom Michael R. Krätke schrieb dazu: »Die Ironie der Geschichte: In den USA gelten im Moment noch striktere Finanzmarktregeln als in Europa. Wenn alle Dienstleistungssektoren ‚liberalisiert‘ werden sollen, gilt das selbstverständlich auch für die Finanzdienstleistungen. Folglich steht uns eine seltsame Allianz der Finanzmarktderegulierer ins Haus, die die gerade erst begonnene Reregulierung von Banken und Finanzmärkten mit Elan wieder zurückdrehen werden – die Lobbyisten der britischen ‚Finanzindustrie‘ an der Spitze der Bewegung.«

Datenschutz:

An den Verhandlungen beteiligt ist auch die sogenannten »Digital Trade Coalition«, eine anonyme Lobby-Koalition von Internet- und IT-Unternehmen, die auf die Beseitigung von EU-Datenschutzregelungen bezüglich des Abflusses persönlicher Daten in die USA abzielt. Diese Lobby bezeichnete die aktuelle Einschätzung der EU, dass die USA keinen angemessenen Schutz der Privatsphäre gewährleisten würde, als »nicht einsichtig«. Mit dem mächtigen U.S. Council for International Business (USCIB) warnte eine Einrichtung vor überzogenen Sicherheits- und Privatsphäre-Klauseln im TTIP-Abkommen, dem Unternehmen angehören, die massenhaft personenbezogene Daten an die NSA ablieferten.

Klimapolitik:

Airlines for America, der größte Verband der US-Flugbranche, publiziert eine Liste »unnötiger Vorschriften, die unsere Branche erheblich behindern«- und die man über die transatlantischen Verhandlungen abschaffen will. An der Spitze dieser Liste steht das wichtigste Instrument der Europäer in Sachen Klimawandel, das EU-Emissionshandelssystem. Mittels des Emissionshandels sollen Fluggesellschaften gezwungen werden, für die von ihnen verursachten CO(2)-Emissionen zu zahlen. Airlines for America sieht in diesem System ein »Fortschrittshindernis« und will erreichen, dass die Einbeziehung der Fluggesellschaften von Nicht-EU-Ländern in dieses System, die von der EU derzeit ausgesetzt ist, endgültig vom Tisch kommt.

Demokratie vs. Schlichtungsregime:

Schon die Verhandlungen zum TTIP-Abkommen sprechen allen demokratischen Standards Hohn: die Verhandlungsdokumente sind geheim, das ohnehin über äußerst geringe Befugnisse verfügende EU-Parlament wird lediglich informiert und ist zur Geheimhaltung verpflichtet, während nationale Parlamente nicht eingebunden und meistens nicht einmal informiert werden. Dagegen werden große Konzerne von der Europäischen Kommission hofiert, die EU-Kommission bestätigte durch die Veröffentlichung einer Liste von Treffen mit »Stakeholdern«, dass im Vorfeld der Verhandlungen 93 Prozent der Gespräche mit VertreterInnen von Großkonzernen und deren Lobbys stattfanden.

Besonders brisant ist darüber hinaus die geplante Einrichtung von Schiedsgerichten, die es einzelnen Konzern ermöglichen sollen, einem Staat gewissermaßen auf Augenhöhe entgegenzutreten. Diese Schiedsgerichte wären unter Aufsicht der Weltbank und der UNO organisiert und könnten staatliche Entschädigungszahlungen in Milliardenhöhe anordnen, wenn sie befinden, dass die Politik oder bestimmte Maßnahmen einer Regierung die »erwarteten künftigen Profite« eines Unternehmens schmälern. »Dieses Schlichtungsregime macht klar, dass die Rechte von Unternehmen höherwertig sein sollen als die Souveränität von Staaten. Es würde Unternehmen ermächtigen, die Regierung der USA oder eines EU-Staats vor ein außergerichtliches Tribunal zu zerren. Und zwar mit dem schlichten Argument, dass die Gesundheits-, Finanz- oder Umweltpolitik dieser Regierung ihre Investorenrechte beeinträchtigt«, schrieb dazu die französische Monatszeitung für internationale Politik, Le Monde diplomatique.

Die aufgelisteten Punkte machen offensichtlich, dass das geplante Freihandelsabkommen TTIP eine große Bedrohung für soziale Standards, ArbeiterInnenrechte, öffentliches Eigentum, Umweltauflagen, VerbraucherInnen- und Datenschutz, ökonomische Entwicklung und demokratische Kontrolle darstellt. Und während selbst TTIP-befürwortende Wirtschaftsstudien wie jene des European Center for International Political Economy von statistisch irrelevanten BIP-Zuwächsen im Promillebereich ausgehen, stehen auf der anderen Seite soziale und demokratische Rechte sowie Umweltschutz auf dem Spiel, die durch einen hemmungslosen Neoliberalismus den Profitinteressen der großen Konzerne geopfert werden sollen. Die US- Handelsrechtsexpertin Lori Wallach spricht in Zusammenhang mit TTIP zurecht von einer »großen Unterwerfung« der Teilnehmerstaaten unter die Interessen von Großkonzernen und als »Staatsstreich in Zeitlupe« bezeichnet wird.

TTIP ist der Versuch der Wirtschaftslobbys in Geheimverhandlungen über die Köpfe der Menschen in Europa und den USA hinweg einen noch aggressiveren Kapitalismus durchzusetzen. In allen Staaten beginnt sich nun aber Widerstand zu regen: Gewerkschaften, Umweltinitiativen, linke Parteien und DatenschützerInnen ziehen dabei an einem Strang. Für uns als Kommunistische Jugend geht es darum, die Bewegung zu stärken und noch mehr Menschen über die Gefahren von TTIP aufzuklären.

Wir wehren uns dagegen, dass unsere sozialen und demokratischen Rechte sowie unser Umweltschutz durch einen hemmungslosen Neoliberalismus den Profitinteressen der großen Konzerne geopfert werden sollen! TTIP ist ein besonders aggressiver Angriff der Konzerne, aber wir müssen auch das System benennen, das eine derartige Machtkonzentration der wirtschaftlichen Eliten überhaupt hervorbringt: Der Kapitalismus.

Der Kapitalismus ist ein System, von dem einige Wenige auf Kosten der breiten Mehrheit profitieren. Ein immer größerer Teil der Weltbevölkerung lebt in extremem Elend, auch in Europa und Österreich geht die Schere zwischen Reich und Arm immer weiter auseinander. Kriege werden wieder zu einem selbstverständlichen Mittel der Politik und die Umwelt wird auf Kosten von Profiten zerstört. Einer der reichsten Männer der Welt, Warren Buffet, beschrieb die aktuellen Vorgänge in der Welt folgendermaßen: »Es herrscht Klassenkrieg, richtig. Aber es ist meine Klasse, die reiche Klasse, die Krieg führt und wir sind dabei, zu gewinnen.«

Für uns Kommunistinnen und Kommunisten steht fest, dass die Welt nicht bleiben darf, wie sie ist. Unsere Hoffnung liegt daher im Aufbau von Widerstandsstrukturen in Österreich, Europa und weltweit. Für uns gibt es keine Alternative zur aktiven, unermüdlichen, solidarischen, demokratischen Organisation der revolutionären Gegenmacht. Nur durch Widerstand von unten können die Angriffe des Kapitals auf soziale und demokratische Rechte abgewehrt werden und das System schließlich überwunden werden. Unser Ziel ist und bleibt es, mit Karl Marx gesprochen, »alle Verhältnisse umzuwerfen, in denen der Mensch ein erniedrigtes, ein geknechtetes, ein verlassenes, ein verächtliches Wesen ist.”

Quelle: Kommunistische Jugend Österreichs / RedGlobe