»Kämpfen ist unsere einzige Wahl!«
Einem Bericht der einzigen konzernunabhängigen südkoreanischen Zeitung »Hankyoreh« zufolge hat die rechtskonservative Präsidentin des ostasiatischen Landes dem inhaftierten Gewerkschaftspräsidenten Han Sang Gyun eine Neujahrskarte geschickt, in dem sie ihm zynisch »viel Glück und Erfolg« wünscht.
Der Vorsitzende des erst 1999 legalisierten zweitgrößten Gewerkschaftsdachverbandes KCTU wurde am 10. Dezember von der südkoreanischen Polizei wegen des Vorwurfs festgenommen, zu »gewalttätigen Manifestationen« gegen die Regierung angestiftet zu haben.
Am 15. November waren in der Hauptstadt Seoul am Rande von Massenprotesten gegen Jugendarbeitslosigkeit und die arbeiterfeindliche Arbeitsmarktpolitik von Präsidentin Park Geun Hye 30 Menschen verletzt worden. Die meisten Opfer gab es freilich auf Seiten der Manifestanten, als die Polizei brutal zuschlug. Ein demonstrierender Bauer liegt noch immer im Koma, nachdem er von einem Wasserwerfer der Polizei schwer verletzt wurde.
Die von Park vorgeschlagenen und Mitte September von einer Art Tripartite verabschiedeten Verschlechterungen im südkoreanischen Arbeitsrecht würden noch mehr Arbeiter – vor allem junge – in schlechtbezahlte Zeitarbeitsverhältnisse zwingen, befürchtet die KCTU, die der »Tripartite« aus Vertretern der rechtskonservativen Regierung, des Patronatsdachverbands KEF und des größten Gewerkschaftsdachverbands FKTU deshalb fernblieb.
Nach dem Tripartiteabkommen sollen außerdem Arbeiter, die nach Ansicht ihres Patrons zu wenig leisten – sie werden in der englischen Übersetzung »Low Performer« (»Wenigleister«) genannt, leichter gefeuert werden können, und die Frist, in der Zeitarbeiter ohne Festanstellung beschäftigt werden dürfen, soll im Arbeitsrecht von einem auf zwei Jahre verdoppelt werden.
Regierung und Patronat behaupten, mit den Gesetzesänderungen würden die Anreize für Neueinstellungen erhöht. Hingegen befürchtet die KCTU, damit würden junge Arbeitsuchende und Stammbelegschaften gegeneinander ausgespielt. Der kämpferische Gewerkschaftsdachverband verweist in einem Streikaufruf auf die hunderttausenden jungen Südkoreaner, die nicht festangestellt sind, und sich schon heute mit schlechtbezahlten und befristeten Jobs über Wasser halten müssen. Das gilt auch für Berufseinsteiger mit Hochschuldiplom.
Um einer drohenden Verhaftung zu entgehen, hatte Gewerkschaftspräsident Han die Monate vor der Großdemonstration am 15. November in Büros der KCTU übernachtet. Der bürgerliche Staat und seine Sicherheitsorgane hatten ihn spätestens seit 2009 im Visier, als er einen 77-tägigen Streik gegen Entlassungen beim Autokonzern SsangYong Motors anführte. Als die Arbeiter die Fabrik besetzten, stürmte die Polizei am 4. August 2009 das Gelände. Dabei wurden über 100 der rund 600 verbliebenen Arbeiter zum Teil schwer verletzt. In den drei Jahren, die Han wegen seiner Streikführerschaft im Gefängnis saß, starben 28 Fabrikbesetzer, darunter zwei Arbeiter, die von einem Wasserwerfer vom Fabrikdach geschossen wurden.
Nachdem er am 15. November eine Zeit lang an der Spitze des Demonstrationszugs mitmarschiert war, fand er Zuflucht in einem buddhistischen Tempel, der sogleich von tausenden Bereitschaftspolizisten umstellt wurde. Nach der Drohung, Han gewaltsam aus dem Jogye-Tempel in Seoul zu holen, stellte er sich am 10. Dezember freiwillig der Staatsmacht. Dabei forderte er seine Anhänger auf, nicht auf die Ideologie der Sozialpartnerschaft hereinzufallen. »Kämpfen ist unsere einzige Wahl!«, rief Han Sang Gyun aus.
Quelle: Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek / RedGlobe