Der nächste »Shutdown« droht bereits

Nachdem der bislang längste Regierungs-»Shutdown« in der Geschichte der USA bis Mitte Februar vertagt wurde, indem sich die beiden großen Washingtoner System-»Parteien« zumindest auf ein Übergangsbudget für Teile der Regierung geeinigt haben, glaubt Präsident Trump nach eigenen Worten nicht an eine für ihn akzeptable Einigung im Streit um die Finanzierung einer Grenzmauer zu Mexiko.

In einem Interview des »Wall Street Journal« schätzte er die Chancen, daß eine neu eingesetzte Gruppe aus 17 Kongreßabgeordneten rechtzeitig zu einer Vereinbarung gelangt, als gering ein. Zugleich schloß er nicht aus, Notstandsvollmachten zu nutzen, um die Grenzanlage bauen zu lassen. Auch einen weiteren Regierungsstillstand wollte Trump nicht ausschließen.

»Ich persönlich sehe das bei unter fifty-fifty«, antwortete Trump auf die Frage nach den Chancen auf eine Einigung. Der Präsident hatte sich im Dezember geweigert, ein Haushaltsgesetz für mehrere Ministerien und deren untergeordnete Behörden zu unterschreiben, wenn darin nicht 5,7 Milliarden Dollar (umgerechnet rund fünf Milliarden Euro) für den Bau einer Grenzmauer eingeplant würden.

Befragt, ob er auch weniger als 5,7 Milliarden Dollar akzeptieren würde, sagte Trump: »Das bezweifle ich. Ich muß das dann schon richtig machen.« Sein mit der Mauer verfolgtes Ziel bleibe, an der Südgrenze der USA »Verbrecher, Gangs, Menschenhändler und Drogen« zu stoppen. Das einzige, was wirke, sei »eine sehr starke Form von physischer Barriere«.

Derweil geben die Anführer der Demokratischen »Partei« vor, sie würden eine Mauer entlang der Grenze zu Mexiko für »unmoralisch« halten, machen aber gleichzeitig Vorschläge für eine effektivere Immigrantenabwehr: Sie fordern mehr Geld für die Reparatur oder den Neubau von – auch unter von ihnen gestellten Präsidenten wie Clinton oder Obama aufgestellten – Grenzzäunen, moderne Technik für die Grenzüberwachung sowie weitere Grenzbeamte und Asylrichter.

In einem Land, in dem jeder bis auf die Nachfahren der nordamerikanischen Ureinwohner und der in Ketten aus Afrika in die »Neue Welt« verschleppten Sklaven von Immigranten abstammt, die auf der Suche nach einem besseren Leben für sich und ihre Familie mehr oder weniger freiwillig über den Atlantik kamen, wirken diese Abschottungsbestrebungen geradezu lächerlich.

Doch wenn man sich die Geschichte der USA ein wenig genauer ansieht, entdeckt man noch einen weiteren Grund für das emsige Bemühen in Washington: Zählen aus Lateinamerika, Afrika und Asien eingewanderte Arbeiter heute zu den wichtigsten Gewerkschaftsaktivisten, denen es gelingt, im Kampf für einen höheren Mindestlohn die »working poor« zu organisieren, so waren schon in den 1880er Jahren drei der vier »Haymarket-Märtyrer«, die nach einer Justizfarce in Chicago zum Tode verurteilt wurden, aus Deutschland eingewanderte Handwerker. George Engel, Adolph Fischer und August Spies wurden zusammen mit ihrem US-amerikanischen Genossen Albert Parsons gehenkt. Ihr eigentliches »Verbrechen« war, für den 1. Mai 1886 zu einem landesweiten Streik für den Achtstundentag aufgerufen zu haben, an dem sich allein in Chicago 90.000 Arbeiter beteiligten.

Auch die am 23. August 1927 im Staatsgefängnis von Charlestown, Massachusetts wegen eines nicht begangenen Mordes auf dem elektrischen Stuhl zu Tode gefolterten Arbeiter Nicola Sacco und Bartolomeo Vanzetti waren in jungen Jahren aus Italien in die USA eingewandert.

Oliver Wagner

Quelle:

Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek