»Die Einheitsgewerkschaft ist tot«, aber wem nutzt denn die Spaltung?

Anlässlich ihres 34. Kongresses vor zwei Wochen in Rümelingen stellten die Kommunisten fest, das Bewusstsein der Lohnabhängigen in Luxemburg sei gegenwärtig so niedrig wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Diese Feststellung war nicht als Entschuldigung für den geringen Einfluss der KPL unter den Werktätigen gedacht, sondern soll Ansporn dafür sein, sich mit den Gründen für diese Entwicklung zu befassen und darüber nachzudenken, wie dem in Zukunft abgeholfen werden kann.

Das eingehend zu erläutern und anhand von Beispielen darzulegen, wieso die große Mehrheit der Lohnabhängigen heute kein Klassenbewußtsein hat und sich der bürgerlichen Ideologie unterordnet, ohne sich dessen überhaupt bewusst zu sein, würde den Rahmen dieses Leitartikels sprengen. Allerdings sei dennoch ein Beispiel aus den letzten Tagen genannt, das in dieser Hinsicht Bände spricht: die Sozialwahlen.

Zu den Sozialwahlen gab in den acht Berufskategorien und bei den Rentnern im Durchschnitt lediglich ein Drittel aller Wahlberechtigten seine Stimme ab, und bei den Wahlen zu den Personalvertretungen wurden in manchen Betrieben »Betriebsräte« gewählt, die keiner Gewerkschaft angehören oder von denen sogar gewusst war, dass sie vom Patron vorgeschickt wurden.

Nun kann man natürlich einwenden, es gebe alle möglichen Hindernisse, die eine niedrige Wahlbeteiligung begünstigen, und das stimmt auch. Aber es ist auch richtig, dass das niedrige Bewusstsein der Lohnabhängigen der Hauptgrund dafür ist, dass solche Hindernisse nicht überwunden werden. Denn wer seine Kraft nicht kennt und sich einreden lässt, er habe ohnehin keinen Einfluss auf die Ereignisse, der weiß natürlich auch nicht, wie er diese Kraft einsetzen könnte, um Veränderungen durchzusetzen.

Das gilt ebenso in sozialer wie in politischer Hinsicht, aber wie viele Lohnabhängige sind sich schon bewusst, dass sie auch bei den Chamberwahlen eigentlich Parteien wählen, die grundsätzlich für den Kapitalismus und damit für die Ausbeutung der Arbeitskraft der Lohnabhängigen durch die Kapitalisten stehen und die Verantwortung dafür tragen, dass sich die ungerechten Gesellschaftsverhältnisse immer wieder reproduzieren?

Der Stabilisierung der Ausbeutungsverhältnisse dient im Endeffekt aber auch eine Aussage wie die des LCGB-Präsidenten, »die Einheitsgewerkschaft ist tot«. Wem nutzt denn die Spaltung der Lohnabhängigen, wenn nicht dem einzelnen Unternehmer und den gesellschaftlichen Verhältnissen, die seine Interessen absichern?

Alle Lohnabhängigen haben doch eigentlich die gleichen Interessen, und je stärker und solidarischer sie sind, wenn es gilt, soziale und arbeitsrechtliche Verschlechterungen zu verhindern oder Verbesserungen auf Betriebs- oder auf Landesebene durchzusetzen, umso größer wird ihre Aussicht auf Erfolg sein.

Unabhängig davon, wie oft und von wem die Einheitsgewerkschaft totgesagt wird, ihr Gespenst wird bei jeder größeren Auseinandersetzung im Betrieb und bei jedem Streik wieder auftauchen, weil es sich in der Praxis erweist, dass Zusammenhalt und Solidarität der Schaffenden Voraussetzung für den Erfolg sind. Das war in der Vergangenheit so und wird in Zukunft nicht anders sein.

Weshalb es allen Grund dafür gibt, das Bewusstsein der Lohnabhängigen zu stärken. Was keine leichte Sache ist, so dass nicht nur Einsatz erfordert ist, sondern, mehr als bei allem anderen, auch revolutionäre Geduld.

Ali Ruckert

Quelle:

Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek