Vertreterin der VVN-BdA Schwäbisch Hall spricht auf dem zweiten CSD der Stadt

Beim 2. CSD in Schwäbisch Hall am 29.6.2019 hat Silvia Wagner für die VVN-BdA eine Rede gehalten:

Ich stehe hier als Vertreterin der VVN – Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der AntifaschistInnen.

Unsere Vereinigung wurde von Überlebenden der Konzentrationslager gegründet und arbeitet bis heute gegen neofaschistische, rassistische, nationalistische und antiemanzipatorische Entwicklungen im Land.

Der § 175, der Schand-Paragraph, der männliche Homosexualität 123 Jahre lang in Deutschland unter Strafe stellte, wurde am 28. Juni 1935 von den Faschisten verschärft.
Ein Straftatbestand nach § 175 galt dann als erfüllt, wenn „…objektiv das allgemeine Schamgefühl verletzt und subjektiv die wollüstige Absicht vorhanden war, die Sinneslust eines der beiden Männer oder eines Dritten zu erregen.“

Allein zwischen 1933 und 1945 wurden rund 100 000 Ermittlungsverfahren gegen Homosexuelle eingeleitet.

57 000 Männer wurden durch deutsche Richter nach

  • § 175 verurteilt.
  • 6 000 Männer wurden aufgrund § 175 in die KZs verschleppt.

Etwa 60 Prozent derer, die mit dem „Rosa Winkel“ als Homosexuelle gebrandmarkt waren, kamen in den Vernichtungslagern der Nazis ums Leben.

In den KZs litten Schwule nicht nur unter extremen Repressalien durch die Wachen, sondern sie waren oft auch Diskriminierungen durch andere KZ Häftlinge ausgesetzt, daraus folgte eine hohe Suizidrate bei schwulen Männern.

Lesbische Frauen standen ebenfalls im Fokus der Verfolgungsbehörden und mussten den „Schwarzen Winkel“ an der KZ Kluft tragen. Sie waren im „Nazi-Lager-System“ als sog. „Asoziale“ „eingestuft“ und gedemütigt.

Zunächst sollten die Homosexuellen nicht physisch vernichtet werden, sondern das Ziel der Nazis war, wie zynisch das auch immer klingt, die „Umerziehung“ bzw. „Umpolung“.

Wenn dies „nicht klappte“, dann folgte die physische Vernichtung. So erklären sich auch die menschenverachtenden Versuche das SS Arztes Carl Vaernet, der im KZ Buchenwald Menschenversuche zur „Heilung der Homosexualität“ durchführte.

Für viele Homosexuelle bedeutet der 8. Mai 1945 – der Tag der Befreiung vom Faschismus- nicht die Freiheit. Der § 175 galt, wenn auch etwas abgemildert, weiter, so dass viele Schwule entweder noch eine Reststrafe aus der Zeit des „Dritten Reichs“ zu verbüßen hatten, oder aber erneut verurteilt wurden.

Und das, während Nazirichter, SS Schergen und Politiker mit NSDAP Parteibuch in der Bundesrepublik wieder Karriere machen konnten. In materieller und sozialer Sicherheit.

Bis 1994 wurde von der Justiz einvernehmlicher Sex zwischen Männern mit bis zu 5 Jahren Freiheitsstrafe geahndet.
Die Ermittlungsverfahren waren meist mit dem Verlust des Arbeitsplatzes und gesellschaftlicher Reputation verbunden. Die meisten Männer haben durch ihren Jobverlust nun niedrige Renten. Das wird in der „gesetzlichen Wiedergutmachung“ bis heute nicht berücksichtigt – das halten wir für einen Skandal.

Die Verfolgung, die Gewalt, die Ungleichbehandlung von Schwulen, Lesben und Transsexuellen in der deutschen Geschichte dürfen wir niemals vergessen.

Der Kampf dagegen ist auch ein Kampf gegen faschistische Bedrohungen für die ganze Gesellschaft.

Homophobie ist in unterschiedlicher Erscheinung immer noch präsent. Bei Rechten und Neofaschisten ist sie Programm. Und sie reicht immer noch bis in die Mitte der Gesellschaft.

Originalton des AfD Funktionärs Björn Höcke zum Thema Schulaufklärung über sexuelle und geschlechtliche Vielfalt:

„Das kann doch kein Erziehungsziel einer Schule sein, die Kinder dazu zwingen, diese sexuelle Andersartigkeit, die in vielen Fällen sexuelle Perversität bedeutet, nicht nur zu tolerieren, sondern positiv zu finden. Wir werden diesem Zeitgeist, diesem unsäglichen, diesem unglücklichen, diesem perversen Zeitgeist... niemals nachgeben.“

 „Homosexuelles Verhalten“ sei mit dem biblischen Leitbild nicht vereinbar, schreibt der religiös-fundamentalistische „Freikirchenbund“.

Der „Bund Freier evangelischer Gemeinden“- empfiehlt in einem Papier vom Dez. 2018 :“ Homosexuell geprägte Menschen, die den Versuch einer Veränderung ihrer sexuellen Orientierung anstreben, sollten sich einem professionell begleiteten therapeutischen Prozess stellen„

Das erinnert doch sehr an die Menschenversuche in Buchenwald!

Was wir als besonders gefährlich und perfide sehen, ist das „angeln“ der Rechten, insbesondere der AfD, in der Schwulen-, Lesben-, und Transsexuellen Bewegung.

Während ein Teil der Rechten ihre Homophobie klar aussprechen – versuchen sich Teile der Rechten, wie z.B. eine Alice Weidel von der AfD tolerant darzustellen.
Gemeinsam ist ihnen, dass Sexismus und Homophobie als rassistische Zuschreibung gegenüber Menschen mit Migrationshintergrund benutzt wird.

Alice Weidel: “Die links-grün dominierten Homosexuellen-Verbände kehren jetzt nur noch „ die letzten Krümel tatsächlicher oder gefühlter Diskriminierung zusammen„ mit ihrem „Tunnelblick auf immer albernere Themen“ übersehen sie aberdie einzige große Gefahr, die uns wirklich droht. Und das ist die Islamisierung“.

Diese Propaganda ist unsäglich! Wir lassen uns nicht durch Rassisten spalten.

Und wir kämpfen weiter gegen Diskriminierung in all ihren Ausprägungen!

Quelle:

VVN-BdA Landesvereinigung Baden-Württemberg