Grundsatzrede: Neuer ver.di-Vorsitzender Werneke fordert Umbau von Wirtschaft und Gesellschaft

Beifall für den Neuen: Frank Werneke nach seiner Rede. Foto: RedGlobeDer neu gewählte Vorsitzende der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di), Frank Werneke, hat sich in seiner Grundsatzrede für einen „massiven Umbau von Wirtschaft und Gesellschaft“ ausgesprochen. Er sehe es als eine wichtige Aufgabe als neuer ver.di-Vorsitzender, die Spaltung auf dem Arbeitsmarkt und in der Gesellschaft zu überwinden, sagte Werneke vor den rund 1.000 Delegierten der Gewerkschaft in der Leipziger Messehalle. Dazu müssten zunächst die Kräfteverhältnisse in der Arbeitswelt durch eine Stärkung der Tarifbindung ausgeglichen werden. „Das Tarifvertragsgesetz muss geändert werden. Die Allgemeinverbindlichkeit von Tarifverträgen darf nicht mehr an der faktisch vorgegebenen Vetomöglichkeit der Arbeitgeberverbände scheitern“, erklärte Werneke. Bund, Länder und Kommunen, die jährlich Aufträge im Volumen von über 400 Milliarden Euro ausschreiben, dürften diese ausnahmslos nur noch an tarifgebundene Un-ternehmen vergeben, forderte Werneke. So könne die Marktmacht der öffentlichen Hand für mehr Tarifschutz genutzt werden.

Die Altenpflege und die Krankenversorgung, die bis Mitte der 1990er Jahre in der Hand der Kommunen und Wohlfahrtsverbände waren, will ver.di ebenfalls um-bauen. Private Unternehmen, auch von Hedgefonds gesteuert, hätten sich über Lohndumping und schlechte Arbeitsbedingungen Wettbewerbsvorteile verschafft und wollten faire Bezahlung über das Abwehren eines Tarifvertrages verhindern, so Werneke. „Wir wollen wieder Gemeinwohl statt Profite auf Kosten der zu pflegenden Menschen und der Beschäftigten. Altenpflege und Krankenversorgung müssen der Verwertungslogik des Kapitals entzogen werden“, erklärte der neue ver.di-Vorsitzende. „Pflegeeinrichtungen sind keine Fabriken.“

In der Klimapolitik gelte es, eine drohende ökologische Katastrophe abzuwenden. „Unsere Aufgabe ist, diesen Umbau, diese Transformation, sozial zu gestalten, ohne dass neue Ungerechtigkeit entsteht“, sagte Werneke. Unterlassene Investitionen von heute führten zu einer Benachteiligung künftiger Generationen. Das von der Bundesregierung verabschiedete Klimapaket nannte Werneke enttäuschend. Die CO2-Bepreisung von zehn Euro pro Tonne schaffe keine ökologische Lenkungswirkung. „Vermögende und Bezieher hoher Einkommen werden wieder einmal geschont, am Blödsinn der Schuldenbremse wird festgehalten – und stattdessen wird auf eine Finanzierung durch Verbrauchssteuern beziehungsweise Abgaben gesetzt“, kritisierte Werneke. Er schlug vor, die Einnahmen aus der CO2-Bepreisung sozial ausgestaltet wieder an die Bürgerinnen und Bürger zurückfließen zu lassen.

„Wenn die Klimaziele eingehalten werden sollen, brauchen wir einen massiven Ausbau öffentlicher Mobilität. Notwendig ist eine wirklich große Investition in den öffentlichen Personennahverkehr – und zwar nicht nur in den Städten, sondern auch in ländlichen Räumen“, forderte Werneke. Ein attraktiver öffentlicher Personennahverkehr müsse bezahlbar sein für alle. Notwendig seien eine stärkere Vernetzung der Verkehre und neue Mobilitätskonzepte. Werneke: „Diese Vernetzung ist eine öffentliche Aufgabe. Das darf nicht Uber und auch nicht Drive Now – und damit etwa BMW, Daimler oder VW – überlassen werden. Mobilität für alle Menschen ist Teil der öffentlichen Daseinsvorsorge. Das wollen wir nicht den wirtschaftlichen Interessen der Privaten überlassen“, erklärte der Gewerkschafter.

Werneke forderte auch „einen konkreten Fahrplan für die Schaffung einer Rentenversicherung, in die alle einzahlen, inklusive Abgeordnete“. Bei Selbstständigen sollten auch Auftraggeber Beiträge in die Rentenkasse entrichten. Perspektivisch will ver.di die Rentenversicherung auch für Beamtinnen und Beamte öffnen.

Als kurzfristiges Ziel der Gewerkschaft „in diesem Herbst“ nannte Frank Werneke die Abschaffung aller Arbeitsverträge mit sachgrundlosen Befristungen. Aktuell sind bei Neueinstellungen vier von zehn Arbeitsverträgen in Deutschland nur befristet. „Damit wird eine Zone der Unsicherheit in der Arbeitswelt geschaffen.“ Besonders viele junge Menschen seien benachteiligt, weil sie weder eine Wohnung bekämen, noch Kredite beantragen oder eine gesicherte Familienplanung vornehmen könnten.

Keinen zusätzlichen Flexibilisierungsbedarf sieht der ver.di-Vorsitzende bei der Arbeitszeit. Das bestehende Arbeitszeitgesetz biete genug Möglichkeiten. „Ein Aufweichen des Arbeitszeitgesetzes wäre zum Beispiel für die Arbeitsbedingungen in der Pflege oder auch in der Paket- und Briefzustellung eine Katastrophe“, sagte Werneke. Dagegen seien Arbeitszeitverkürzungen bei Lohnausgleich kein Tabu, wenn es darum gehe, die Risiken technologischer Veränderungen zu minimieren. Dabei müssten betriebsbedingte Kündigungen ausgeschlossen werden.

Quelle:

ver.di