Integration

Es war vor rund drei Jahren. Ein junger Mann portugiesischer Eltern, in Luxemburg geboren, ist mit seinem kleinen Sohn und seiner Frau auf einer Feier irgendwo im Süden des Landes. Im Gespräch stellt sich irgendwann beiläufig heraus, daß er keinen Kontakt mehr zu seinen Eltern hat, die nicht weit entfernt wohnen. Warum? Weil sie den Kontakt abgebrochen hätten, nachdem er nicht »der Familientradition«, sondern der Liebe folgend eine junge Frau aus Luxemburg geheiratet hatte und daheim untereinander Luxemburgisch gesprochen würde. Daß er sich privat und insbesondere auch beruflich und sozial dadurch integriert habe und nicht das Ziel hätte, irgendwann nach Portugal zu ziehen, in das Land seiner Eltern, weil dies hier nun mal seine Heimat sei.

Manche Lebenswege von Menschen und Familien sind für Außenstehende nur schwer zu begreifen. Allerdings lassen sich gewisse Entwicklungen nicht übersehen: Eine ernstgemeinte Integrationspolitik hätte vielleicht bereits den Eltern des jungen Mannes Möglichkeiten vermittelt, zu begreifen, warum er sich so entschieden hat. Viele Menschen, und das betrifft nicht nur eine einzige Bevölkerungsgruppe, leben in Luxemburg nebeneinander anstatt miteinander. Auch wenn manche bürgerliche Intellektuelle da ein völlig anderes Bild haben.

Die ersten Generationen von ausländischen Arbeitskräften suchte man nicht umsonst gezielt in den Regionen mit hoher Gottesfurcht und niedrigem gewerkschaftlichen Organisationsgrad aus. Heute, viele Jahre später, entzünden sich Diskussionen am Thema sprachlicher Integration und welche Rolle Luxemburgisch neben Französisch und Deutsch haben soll. Viele, die es vielleicht tatsächlich gut meinen und selbst aufgrund ihres akademischen Bildungsgrades die Problematik nicht begreifen können, sehen es als Zumutung an, wenn Integration und Einbürgerung mit dem Erlernen der Sprache zu tun haben soll.

Die Frage, die sich neben dem bekannten Argumenten pro und kontra aber relativ selten in der öffentlichen Diskussion stellt, ist: Welchen Nutzen hat es für den Einzelnen, wenn er sich die Mühe macht Luxemburgisch zu lernen. Die Position einzelner »Migranten-Organisationen« zeigt sich schon daran, daß sie ihre Forderungen nach Aufweichung von Anforderungen in Sprachexamen seit Jahren beharrlich in französischer Sprache vortragen und es wie einen Gang zum Schafott betrachten, wenn ein Anwärter die »Höhle des Löwen« des Spracheninstituts betreten muß.

Können wir nicht einmal die Vorteile einer sprachlichen Integration beleuchten? Sicherlich ist in Luxemburg mit seiner Dreisprachigkeit nichts gegen die beiden anderen Sprachen einzuwenden Sie gehören dazu. Sie werden aber gerne ins Feld geführt, um zu betonen, warum man nicht Luxemburgisch zu lernen braucht. Auf der anderen Seite zeigt sich aber auch, daß Integration in allen Ländern der Welt über Sprache funktioniert und bereits im Kindesalter große Schritte gemacht werden können. Davon profitiert eine stärkere Vernetzung der arbeitenden Menschen in ihren gewerkschaftlichen Organisationen und bessere Möglichkeiten, am sozialen Leben teilnehmen zu können und Parallelgesellschaften abzubauen. Zum Ärger auch vielleicht von denen, die gern teilen und herrschen und nicht ganz unzufrieden sind mit der Parallelwelt, weswegen sie auch die Schulpolitik in diesem Sinne gestalten.

Christoph Kühnemund

Quelle:

Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek