Erst kassieren, dann entlassen?

Während der vergangenen Monate hat die Zahl der Arbeitslosen in Luxemburg stark zugenommen. Das geht selbst aus den »offiziellen« Zahlen hervor, die bekanntlich nicht die tatsächlichen Verhältnisse widerspiegeln, da vorsätzlich eine ganze Reihe von Arbeitsuchenden nicht berücksichtigt werden, so dass wir Monat für Monat geschönte Arbeitslosenzahlen vorgesetzt bekommen.

Tatsache ist aber auch, dass die Zahl der Arbeitslosen gegenwärtig unendlich größer wäre, hätte es zu Beginn der Gesundheitskrise nicht eine Verallgemeinerung der Regelung über Kurzarbeit gegeben. Das führte dazu, dass der Staat Unternehmen, die zusammengenommen mehr als 300.000 Lohnabhängige beschäftigten, 80 Prozent der bisherigen Löhne bis zu einem Maximum von 250 Prozent des Mindestlohnes bezahlt.

Das heißt aber auch, dass die Kaufkraft der Kurzarbeiter stramm zurückging, umso mehr viele von ihnen infolge des Konjunkturabschwungs bereits auf Überstunden und Prämien verzichten mussten. Ganz schlimm traf es die Zeit- und Leiharbeiter, die von der Kurzarbeiterregelung ausgeschlossen bleiben.

Während Kurzarbeit für Lohnabhängige mit Kaufkraftverlust gleichzusetzen ist, bedeutet er für Unternehmen einen Rückgang der Lohnkosten. Im Horeca-Bereich werden die mittleren Lohnkosten in diesem Jahr um ein Viertel zurückgehen, im Bau um 19 Prozent, in der Industrie um 13 Prozent und im Dienstleistungsgewerbe um 12 Prozent.

Allerdings ist die Gesundheits- und die Wirtschaftskrise längst nicht vorbei, und man muss davon ausgehen, dass die Arbeitslosigkeit während diesem Jahr weiter stark ansteigen wird – einerseits, weil deutlich weniger Einstellungen erfolgen werden, und andererseits, weil es in einer Reihe von Betrieben zu Entlassungen kommen wird.

Statt dem entgegenzuwirken, will die die Regierung es Unternehmen erleichtern, Lohnabhängige auf die Straße zu setzen, indem sie den Betrieben finanzielle Unterstützung gewährt und es ihnen – ohne dass sie sich dazu verpflichten müssen, Alternativen zu prüfen – parallel dazu erlaubt, bis zu 25 Prozent der Belegschaft zu entlassen, ohne dass die Hilfen zurückgezahlt werden müssen. Das ist ungeheuerlich!
Hier findet, ohne dass das so gesagt wird, eine noch größere Umverteilung der öffentlichen Finanzen zugunsten des Kapitals statt, als das 2008 der Fall war, als die Regierung in einer einzigen Nacht Milliarden einsetzte, um die Profite zweier Banken zu retten.

Die vielen finanziellen Zuschüsse aus dem öffentlichen Haushalt, die gegenwärtig an Betriebe gehen, sind an keinerlei Bedingungen geknüpft, weder daran, dass sie von Mittel- und Großbetrieben ab einem gewissen Umfang während der nächsten Jahre zurückgezahlt werden müssten, sofern wieder Gewinne gemacht werden, noch dass die Betriebe sich generell zu einer Arbeitsplatzgarantie für die Beschäftigten verpflichten müssten.

Damit garantieren die öffentlichen Hilfen und die sinkenden Lohnkosten von heute die Gewinne von morgen, die allerdings in wenige Privattaschen fließen werden, wie das im real existierenden Kapitalismus zur Normalität gehört. Andererseits werden die Lohnabhängigen und Rentner wieder einmal die Verlierer sein, wenn sie die Umverteilung zugunsten des Kapitals mit Steuererhöhungen und Sozialabbau bezahlen müssen.

Eine Sache ist es, das kurzfristig zu verhindern oder es zumindest zu versuchen, eine andere wird es sein, gesellschaftliche Veränderungen vorzunehmen, die solche Ungerechtigkeiten vorn vorne herein ausschließen. Beides ist erforderlich.

Ali Ruckert

Quelle:

Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek