70 Jahre Oktoberstreik: Für eine kämpferische Arbeiterfront!

Stellungnahme des Parteivorstandes der Partei der Arbeit Österreichs (PdA), Wien, 30. September 2020

Im Herbst 1950 streikten in Österreich beinahe 200.000 Arbeiterinnen und Arbeiter gegen die Durchsetzung des vierten Lohn-Preis-Abkommens, das die ÖVP/SPÖ-Regierung beschlossen hatte. Der Protest richtete sich gegen massive Verteuerungen bei Lebensmitteln bei gleichzeitig gleichbleibenden Löhnen und Gehältern, somit gegen eine faktische Verringerung der Realeinkommen der österreichischen Arbeiterschaft. In fast 800 Betrieben wurde die Arbeit niedergelegt, zunächst in Oberösterreich, in weiterer Folge auch in Niederösterreich, Wien und der Steiermark. Es gab Massenkundgebungen und gemeinsame Aktionen sozialdemokratischer, kommunistischer und unabhängiger Arbeiterinnen und Arbeiter.

In Wien-Floridsdorf wurde eine gesamtösterreichische Betriebsrätekonferenz einberufen, um die Forderungen und die Organisierung der Streikbewegung zu diskutieren und beschließen. Verlangt wurde, gerichtet an die Bundesregierung, die Rücknahme des vierten Lohn-Preis-Pakts und Lohnerhöhungen. Doch die konservativ-sozialdemokratische große Koalition blieb hart, mit maßgeblicher Unterstützung der SPÖ- und ÖGB-Führung wurde die Streikbewegung torpediert, lahmgelegt und schließlich beendet.

Potenzial der kämpfenden Arbeiterklasse

Trotzdem zeugt der Oktoberstreik vom möglichen Potenzial der Kraft der Arbeiterklasse. Der Oktoberstreik war die größte proletarische Massenbewegung der Zweiten Republik und die größte Streikaktion seit dem Jännerstreik 1918. Er war der organisierte und konzentrierte Ausdruck des Klassenkampfes gegen das Kapital und seine Regierung. Wenn sich die Arbeiterklasse ihrer Macht bewusst wird, und sie bereit und befähigt ist, diese für ihre Interessen einzusetzen, dann vermag sie nicht nur arbeiterfeindliche politische Maßnahmen und ökonomisch-soziale Bedingungen zu beeinflussen, sondern sie kann die gesamte Gesellschaft zu ihren Gunsten verändern. Sie kann das Kapital politisch und ökonomisch entmachten, die Produktionsmittel vergesellschaften und den Kapitalismus stürzen. Sie ist in der Lage, eine neue, revolutionäre Gesellschaft nach ihren Bedürfnissen aufzubauen, eine gerechte Gesellschaft ohne Ausbeutung und Unterdrückung, eine proletarisch-demokratische Gesellschaft, in der die Arbeitenden als organisierte Einheit die wirtschaftliche und politische Herrschaft ausüben. Die immense Kampfkraft des Proletariats, die während des Oktoberstreiks sichtbar geworden ist, hat nicht nur das Kapital, sondern auch die SPÖ-Führung zutiefst erschreckt, weswegen es sofortige und weiterführende Gegenmaßnahmen gab. Doch für die kämpferische und revolutionäre Arbeiterbewegung liefert sie Antrieb, Perspektive und zukünftige Siegesgewissheit.

Verrat der SPÖ- und ÖGB-Führung

Der Oktoberstreik scheiterte vor allem am verderblichen und verräterischen Wirken der SPÖ- und ÖGB-Führung. Beide hatten nicht nur dem vierten Lohn-Preis-Pakt zugestimmt, sondern bekämpften auch aktiv die folgende Streikbewegung. Ihre Mitglieder, die zahlreich an den Protesten beteiligt waren, wurden massiv unter Druck gesetzt und bedroht, um ihre Aktionen sowie die Zusammenarbeit mit kommunistischen Kräften einzustellen. Schließlich schreckten Teile der ÖGB-Führung um Franz Olah nicht davor zurück, Streikbrecher zu organisieren und Schlägertrupps gegen protestierende Arbeiter loszuschicken, SPÖ-Innenminister Helmer schickte Polizei und Gendarmerie, um Demonstrationen anzugreifen und Aktivisten zu verhaften. Die Sozialdemokratie hat damit klar Stellung bezogen, nämlich auf der anderen Seite der Barrikade. Sie unterstützte die Konsolidierung des Kapitalismus und die Vergrößerung der Profite, während sie der Arbeiterklasse verschärfte Ausbeutung aufbürdete. SPÖ- und ÖGB-Führung hätten kaum deutlicher zeigen können, dass sie in Komplizenschaft mit dem Kapital und der ÖVP gegen die Arbeiterklasse agiert, dass sie eine endgültige Wende zur bürgerlichen, prokapitalistischen Partei vollzogen hatte, die fest und fix in das Herrschaftssystem integriert ist. Sie erwiesen sich als faktische Feinde der Arbeiterbewegung, die in ihr nur noch einen irreführenden und kalmierenden Einfluss im Sinne des Kapitalismus ausüben.

„Sozialpartnerschaft“ als Herrschaftsmechanismus

Die SPÖ- und ÖGB-Führung gaben sich freilich nicht zufrieden mit der Niederschlagung der Streikbewegung. Sie wollten nachhaltig für „geordnete Verhältnisse“ im Rahmen der bürgerlichen Staatsmacht sorgen, denn dies war Voraussetzung ihrer Teilhabe am staatsmonopolistischen Kapitalismus in Österreich und ihrer Rolle als dessen wichtigste soziale Stützen. Ein bedeutendes Element dieser sozialdemokratischen Politik war die Etablierung der so genannten „Sozialpartnerschaft“ zwischen Gewerkschaftsführung und Kapitalvertretern. Sie ist die Fortsetzung der arbeiterfeindlichen Lohn-Preis-Abkommen und wurde in den folgenden Jahrzehnten zum Herrschaftsmodell des Kapitalismus in Österreich. Die Interessen der Bourgeoisie setzten sich hier immer durch gegen jene der Arbeiterklasse, da SPÖ- und ÖGB-Führung diese nicht wirklich vertraten, sondern im Sinne einer geschwisterlichen Machtteilung mit der ÖVP und der Wirtschaftskammer regelmäßig opfert. Das hat sich im Wesentlichen bis heute nicht geändert, der Klassenkampf ist abgesagt und die Arbeiterklasse ruhiggestellt oder rechten Demagogen ausgeliefert, wenngleich die ÖVP seit der Jahrtausendwende mitunter die Sozialdemokratie gänzlich zu übergehen bereit ist. Doch selbst dies führt abseits von ein wenig Verbalradikalismus nicht etwa zu einer Besinnung bei SPÖ und ÖGB, sondern zum Betteln, man möge doch wieder in aller Freundschaft am Verhandlungs- und Heurigentisch alles ausmauscheln.

Antikommunismus als bewusste Grundtorheit der SPÖ

Das zweite Standbein der SPÖ-Politik ist ihr bedingungsloser Antikommunismus und Antisozialismus – sie machte und macht in aller Deutlichkeit klar, dass sie keine revolutionär-sozialistische Machtübernahme durch die Arbeiterklasse und keinen Sturz der bürgerlichen Herrschaft wünscht. Bereits während des Oktoberstreiks wurde eine Diffamierungskampagne begonnen, mit der die Lohn- und Arbeitskämpfe von Ende September und Anfang Oktober 1950 als kommunistischer Putschversuch dargestellt werden sollten, was jeglicher Realität widersprach. Auf Basis dieser Putschlüge untersagte die Sozialdemokratie jede Zusammenarbeit mit Kommunistinnen und Kommunisten, was Kreisky später in die Eisenstädter Erklärung goss. Zudem gab es Repressionen: Kommunistische oder mit der KPÖ sympathisierende Arbeiterinnen und Arbeiter wurden massenhaft entlassen, kommunistische Gewerkschafter wurden aus dem ÖGB ausgeschlossen, darunter sein Mitbegründer und Vizepräsident Gottlieb Fiala (es dauerte bis 2015, ganze 65 Jahre, dass die ÖGB-Führung die Putschlüge revidierte und die Betroffenen formell rehabilitierte). Die Sozialdemokratie verschärfte also die Gangart, um die Arbeiterklasse möglichst von klassenkämpferischen oder gar revolutionären Abenteuern fernzuhalten, sie bemühte sich um die stetige Diskreditierung kommunistischer Organisationen, der UdSSR und der sozialistischen Staaten in Europa. Es bestand nie ein Zweifel, dass Österreich Teil des antisozialistischen, imperialistischen Westblocks sein und bleiben sollte, wofür man sich auch mit Austro- und Nazifaschisten aussöhnte. Nur wenige Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten spielten dabei nicht mit, darunter der ehemalige SPÖ-Generalsekretär Erwin Scharf, der schließlich den Weg in die KPÖ fand und dort zu einem wichtigen Vertreter des Marxismus-Leninismus in Österreich wurde.

Für eine kämpferische Arbeiterfront!

Es ist zur Kenntnis zu nehmen, dass die SPÖ sowie der von ihr dominierte ÖGB in seiner gegenwärtigen Verfasstheit keine Kampforganisationen der Arbeiterklasse sind, im Gegenteil: Ihr Zweck ist die Lähmung der Arbeiterklasse, die mit Almosen und falschen Versprechungen abgespeist werden soll. Insofern ist die Sozialdemokratie für die Wiedererrichtung einer starken, kämpferischen – und revolutionären – Arbeiterbewegung nicht nur unnütz, sondern sogar hinderlich: Es wird nicht mit ihr gehen, sondern nur gegen sie. Inzwischen gilt Ähnliches für die KPÖ, die ihr revolutionäres und marxistisch-leninistisches Erbe seit 1990 kontinuierlich entsorgt hat: Von Marxismus, Klassenstandpunkt und Arbeiterpolitik, Antiimperialismus und sozialistischer Revolution will sie nichts mehr wissen, auch nicht von ihren ehrenvollen Kämpferinnen und Kämpfern des Oktoberstreiks oder von Werk und Wirken Johann Koplenigs, Ernst Wimmers oder Erwin Scharfs. Sie ist zu einer opportunistischen, nichtmarxistischen Partei des Reformismus und der EU-hörigen „Linken“ geworden, die sich als Ergänzung zur sozialdemokratischen Kapitalismusverwaltung sieht. Es braucht aber eine Alternative. Das ist der Grund, warum es seit 2013 die Partei der Arbeit Österreichs gibt, die die besten Traditionen der österreichischen Arbeiterbewegung aufgreift und weiterführt: die Traditionen und Inhalte der Hainfelder Sozialdemokratie und der bolschewistischen KPÖ, jene des Jännerstreiks und der Februarkämpfe, des antifaschistischen Widerstandes an der Seite der Sowjetunion, des antideutschen Freiheitskampfes der österreichischen Nation, der internationalistischen Solidarität in der kommunistischen Weltbewegung und des konsequenten Kampfes für den Sozialismus – und natürlich jene des Oktoberstreiks. Auf dieser Grundlage und gemäß den gegenwärtigen Bedürfnissen der Arbeiterklasse ist die Bewegung des revolutionären Klassenkampfes für den Sozialismus neu aufzubauen, in Parteiform sowie als gewerkschaftliche Kraft in den Betrieben, als kämpferische Arbeiterfront gegen Ausbeutung, Unterdrückung und Krieg, gegen Kapitalismus und Imperialismus.

Quelle:

Partei der Arbeit Österreichs