Ukrainischer Präsident verbietet Oppositionsparteien

Der ukrainische Präsident Wladimir Selenski hat in der Nacht zum Sonntag einen Beschluß des Nationalen Sicherheits- und Verteidigungsrats der Ukraine verkündet, die Arbeit mehrerer politischer Parteien im Land für die Gültigkeitsdauer des Kriegsrechts zu verbieten.

Die Maßnahme betrifft die Parteien »Oppositionsplattform – Für das Leben« und »Oppositionsblock«, die mit 44 bzw. 6 Mandatsträgern in der Rada, dem Parlament der Ukraine vertreten sind, aber auch die außerparlamentarischen Organisationen »Scharis Partei«, »Die Unseren«, »Linke Opposition«, »Union der linken Kräfte«, »Staat«, »Fortschrittlich-sozialistische Partei«, »Sozialistische Partei«, »Sozialisten« und »Wladimir Saldos Block«.

Der ukrainische Präsident wird von den einheimischen Medien mit den Worten zitiert: »Die Aktivitäten von deren Politikern, die auf Spaltung oder Kollaboration abzielen, werden keinen Erfolg haben, dafür aber eine harte Antwort erhalten.«

Das Justizministerium sei angewiesen worden, den Beschluß des Sicherheitsrats umzusetzen. Jeder solle sich um die Interessen des Staates, um die Interessen der Ukraine kümmern, so Selenskij.

Ohnehin seit Jahren verboten ist die Kommunistische Partei der Ukraine, Aktivisten der KPU und ihres Jugendverbandes Komsomol sind beständigen Repressalien ausgesetzt. Faschistische und extrem nationalistische Parteien wie »Swoboda« (Freiheit) oder »Rechter Sektor« können dagegen nicht nur ungehindert agieren, sondern über beträchtlichen Einfluß auf staatliche Strukturen und im militärischen Bereich aus.

Das von Faschisten gebildete »Bataillon Asow« wurde in die ukrainischen Streitkräfte integriert. Milizen, die vor allem im Donbass seit 2014 ständig die Gebiete der abtrünnigen Regionen Donezk und Lugansk attackieren, und dabei für den Tod von mindestens 14.000 Zivilpersonen verantwortlich sind, setzen sich hauptsächlich aus Faschisten und Nationalisten zusammen.

Die in Vorbereitung des Krieges überall in der Ukraine gebildeten »Territorialen Verteidigungskräfte« – eine Art mit modernen Waffen ausgestatteter »Volkssturm« – wurde und wird von kriegserfahrenen Kämpfern der faschistischen Partei »Rechter Sektor« militärisch ausgebildet. Dabei wurden auch Kinder im Umgang mit Maschinenpistolen Kalaschnikow, mit Panzerfäusten und »Molotow-Cocktails« unterwiesen.

Die »Oppositionsplattform – Für das Leben«, die bei den vorigen Wahlen mit 13,5 Prozent als zweitstärkste Partei mit 44 von 450 Abgeordneten ins ukrainische Parlament einziehen konnte und im ganzen Land mit 4.215 Abgeordneten in Gemeinderäten vertreten ist, bezeichnete den Präsidentenerlaß als »illegalen politischen Raubzug der Regierungspartei und ein Massaker an der Demokratie in der Ukraine«. Die Entscheidung des Nationalen Sicherheits- und Verteidigungsrates »entbehrt jeder rechtlichen Grundlage, und alle Anschuldigungen gegen unsere Partei sind von den Behörden erfunden, um ihr unangemessenes Vorgehen zu rechtfertigen« heißt es in einer Stellungnahme der Partei. »Die einzige Erklärung für ein solches Vorgehen der Behörden sind illegale politische Razzien und ein unfairer politischer Kampf mit ihrem Hauptgegner. Anstelle eines politischen Dialogs und der Suche nach Kompromissen und Wegen zur Einigung des Landes haben die Behörden auf Razzien, Einschüchterung, Repression und Repressalien gegen ihre Gegner gesetzt.«

Die regierende Partei des Präsidenten habe »die Interessen des ukrainischen Staates und die Rechte von Millionen ukrainischer Wähler, die bei den Parlaments- und Kommunalwahlen für unsere politische Kraft gestimmt haben, über diese Überlegungen gestellt«.

Die Plattform fordert alle Abgeordneten, Parteimitglieder und Aktivisten auf, »ihre Arbeit fortzusetzen«.

Gleichzeitig hat Präsident Selenski per Erlaß verfügt, daß sämtliche TV-Sender mit Nachrichtenanteil nur noch ein Einheitsprogramm zeigen dürfen. Der Großteil der landesweiten Sender hatte sich bereits kurz nach Kriegsbeginn zusammengeschlossen und ein gemeinsames Programm ausgestrahlt, das auch von mehreren Radiosendern übertragen wird.

Parallel dazu setzte der ukrainische Geheimdienst SBU die Festnahmen von Politologen und Journalisten mit abweichenden Meinungen fort, berichtet die Deutsche Presseagentur (dpa). Am Sonntag wurde die Festnahme des Odessaer Journalisten Juri Tkatschow bekannt. Vorher war bereits unter anderem der Kiewer Politologe Dmitro Dschangirow festgenommen worden. Offiziell gab es bisher keine Begründung für das Vorgehen der Behörden.

Quelle: Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek