Fortgesetzte Grenzkontrollen: rechtswidrige Zurückweisung von Geflüchteten

Die Verlängerung der Grenzkontrollen durch das Bundesinnenministerium ist ein Affront gegenüber dem Europäischen Gerichtshof und ein beunruhigendes Signal für die Rechtsstaatlichkeit in Europa. Von der Entscheidung dürften vor allem geflüchtete Menschen betroffen sein.

Am Mittwoch wurde bekannt, dass die Bundesinnenministerin die Kontrollen an der Grenze zu Österreich um weitere sechs Monate verlängert hat. Laut einem Sprecher des BMI sei dies der EU-Kommission in einem Schreiben vom 14. April mitgeteilt worden. „Dass dies einen Tag nach einem Urteil des EuGH zum selben Thema verkündet wird, in dem die Richter eine anlasslose Verlängerung als europarechtswidrig einstufen, offenbart eine erschreckende Ignoranz gegenüber dem geltenden Recht seitens des Bundesinnenministeriums“, empört sich Peter von Auer, rechtspolitischer Referent von PRO ASYL. „Spätestens jetzt nach dem Urteil muss Bundesinnenministerin Faeser umsteuern und die Verlängerung der Grenzkontrollen zurücknehmen.“

Der Europäische Gerichtshof hatte in einem Urteil vom Dienstag darauf hingewiesen, dass Staaten solche Kontrollen nur im Fall „einer neuen ernsthaften Bedrohung seiner öffentlichen Ordnung oder seiner inneren Sicherheit“ verlängern dürfen. Eine solche ernsthafte Bedrohung ist aus Sicht von PRO ASYL nicht gegeben und sie wird von der Bundesregierung auch nicht ausgeführt. Begründet wird die Verlängerung bis November pauschal mit dem Migrationsgeschehen, doch selbst die Gewerkschaft der Polizei hält jahrelange EU-Binnengrenzkontrollen zur Bekämpfung von irregulärer Migration an der bayerisch-österreichischen Grenze nicht für sinnvoll. Nichtsdestotrotz setzt das BMI den restriktiven Kurs von Horst Seehofer (CSU) fort. „Der einzige Grund für die Weiterführung der Grenzkontrollen kann nur der sein, Geflüchtete an der deutsch-österreichischen Grenze zurückzuweisen und somit eine von der GroKo begonnene Abschottungspolitik weiterzuführen “, sagt Peter von Auer.

Geflüchtete werden immer wieder von Grenzbeamten direkt an der Grenze zurückgewiesen mit dem Verweis, für ihren Asylantrag sei das Land zuständig, das sie zuerst betreten haben. Das entspricht zwar grundsätzlich geltender Rechtslage, jedoch ist in Deutschland das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge dafür zuständig, den Asylantrag zu überprüfen. Wird dies von Grenzbeamten verhindert, haben die schutzsuchenden Menschen keine Chance, ihren Antrag in Deutschland gegebenenfalls auch gerichtlich überprüfen zu lassen. Das ist problematisch insbesondere mit Blick auf diverse Urteile deutscher (Ober-) Verwaltungsgerichte: Die besagen, dass Geflüchtete, die zuerst in Griechenland waren und dann aufgrund der katastrophalen Lage dort nach Deutschland weiterreisen, nicht nach Griechenland abgeschoben werden dürfen. Mit einer Verlängerung der Grenzkontrollen werden schutzsuchende Menschen also weiterhin ihrer Rechte beraubt.

PRO ASYL erwartet von den Koalitionspartnern, dass sie sich für eine unbedingte Anerkennung des EuGH-Urteils und eine sofortige Beendigung der Kontrollen an den europäischen Binnengrenzen einsetzen.

 

Quelle: Pro Asyl