Ein linker Präsident in Kolumbien

In Kolumbien wurde in der Nacht mit Gustavo Petro das erste Mal ein linker Präsident in der jüngeren Geschichte des Landes gewählt. Auch wenn wir mit dem Begriff „links“ nicht gleich einen Systemwandel in Kolumbien vermuten – immerhin hat Gustavo Petro auch eine neoliberale Agenda – so gibt es in der Politik jedoch andere Ansprüche an das politische Regieren und in der Auseinandersetzung, als sein Gegenkandidat, der als Frauenhasser, Nazianhänger und korrupter Politiker alles andere als progressiv ist. Auch für die Umsetzung des Friedensprozesses, das Einbinden von populären und linken Organisationen sowie perspektivische Gespräche mit den aufständischen Bewegungen steht Gustavo Petro, selbst einmal Mitglied der Guerilla M-19, für eine andere Politik, die etwas mehr Hoffnung bringt.

Die vorläufigen Ergebnisse der Wahlauszählung des kolumbianischen Nationalregisters zeigen, dass Gustavo Petro vom Historischen Pakt der neue gewählte Präsident ist, nachdem er seinen Gegner Rodolfo Hernández von der Liga der Gouverneure gegen Korruption bei der Stichwahl besiegt hat. Nach dem Gewinn der Präsidentschaftswahlen in Kolumbien wandte sich der Kandidat Gustavo Petro in seiner ersten Rede als gewählter Präsident an seine Landsleute: „Dieser Tag, der zweifellos historisch ist, ist Geschichte, was wir in diesem Moment schreiben für Kolumbien, für Lateinamerika, für die Welt, eine neue Geschichte, denn was hier heute passiert ist, mit diesen 11 Millionen männlichen und weiblichen Wählern, ist zweifellos eine Veränderung“, sagte er.

In seiner Rede und seinem Politikansatz verweist er auf drei spezifische Achsen: Frieden, soziale Gerechtigkeit und Umweltgerechtigkeit. Der neu gewählte Präsident erklärte, seine Regierung setze auf ein „großes nationales Abkommen zur Friedensschaffung“, bei dem die kolumbianische Gesellschaft „mehr Möglichkeiten“ habe. „Wir werden die Macht nicht einsetzen, um den Gegner zu vernichten, das bedeutet, dass wir uns selbst vergeben“, versicherte er und lud auch seine Gegner zu seiner neuen Regierung ein. Mit Francia Márquez wird es zudem eine afrokolumbianische Vizepräsidentin geben, die sich im Cauca für Frieden und soziale Gerechtigkeit eingesetzt hat. Sie stand in einem permanenten Konflikt mit der aufständischen Bewegung vor Ort, da sie sich klar gegen Krieg und Ausbeutung positionierte.

Bisher gibt es keine wesentlichen Meldungen über den Wahlvorgang aus den verschiedenen Regionen, die auch im Kontext des bewaffneten Konfliktes stehen. Einzig aus San Vicente del Caguán in der Provinz Caquetá, ein Epizentrum der FARC-EP, wurde ein Angriff auf eine Armeeeinheit gemeldet, wobei ein Soldat dabei. Zwei Personen, vermutlich von der 40. Front der FARC-EP „Jorge Briceño Suárez“, töteten den Soldaten. Dies kann jedoch auch im Zusammenhang mit den zuletzt erfolgten Angriffen und Liquidierungen der staatlichen Sicherheitskräfte auf Kommandierende der Guerilla stehen. Es wird generell interessant sein, wie sich nun die Politik zwischen Regierung und den aufständischen Bewegungen, beziehungsweise auch deren Positionierungen, darstellen werden.

Quelle: Widerstand in Kolumbien